Unter dröhnenden Elektro-Sounds fährt eine fette Limousine auf die Bühne. Wer entsteigt einem solchen Wagen? Prinz Marcus von Anhalt, Kanye West – Jordan B. Peterson? Nicht ganz: Es ist Pepe der Frosch. In manischer Freude erklärt die Comicfigur dem Publikum, wie die Alt-Right-Bewegung sie zum Symbol für Neofaschismus, Rechtsterrorismus und Frauenhass machte. Unter dem Dauergrinsen des humanoiden Tieres (Kostüme: Ursula Leuenberger) zeichnet sich eine gehörige Portion Schmerz ab. Dann ein Schuss aus der Pistole eines anderen Froschs – Pepe geht zu Boden. Plötzlich ist die Bühne voller tanzender Frösche. „Das darf man nicht so ernst nehmen!“, grölt einer von ihnen.
Glücklicherweise tritt Journalist Tobias Ginsburg mit etwas Kontext in diesen Fiebertraum: Die Partyfrösche sind (Überraschung!) verkleidete Menschen, der Ort ist Boston im „Land of the Free“ – und die Szene eine satirische Darstellung der ersten Straight Pride Parade, über die sein Alter Ego, der echte Tobias Ginsburg, in „Die letzten Männer des Westens“ (2021) schreibt. Für sein Buch hat sich Ginsburg rechten Männerbünden verdeckt angeschlossen und ihre Verbindungen zueinander ergründet. Am Schauspiel Köln bringt Regisseur Rafael Sanchez seine Adaption auf die Bühne, bei der zwischen vielen Musikeinlagen und Live-Filmsequenzen die eine Gruppe von Unsympathen der nächsten Platz macht. Der von Yvon Jansen gespielte Ginsburg fungiert dabei als Erzähler, der diese Ekelparade erklärt und genüsslich verspottet. So erinnert der Abend zunächst an eine Nummernrevue, im Verlauf entpuppt er sich jedoch als komplexes Spiel mit ineinander übergehenden Erzählsträngen: Mal findet die Handlung in der Fantasie Ginsburgs statt, in der er sich erbittert mit den Rechten streitet, mal in der bitteren Realität, in der er diese umgarnen muss, um an Informationen zu gelangen. Hinzu kommen Videoeinspieler, in denen der echte Tobias Ginsburg eindringlich vor dem Rechtsruck warnt.
Letztlich entlarven sich die „letzten Männer des Westens“ aber vor allem selbst: Da sind einige Teilnehmer des Deutschen Genderkongresses, deren familiäres Leben in die Brüche gegangen ist und die sich nun aus Angst vor dem Bedeutungsverlust an ein untergehendes dominantes Männerbild klammern. Oder rechtsradikale Politiker aus Polen, die nicht zugeben wollen, dass sie vom historischen Feind Russland finanziert werden. Oder ein Kampfsport-Coach, der nur noch rechte Erzählungen nachplappert, ohne das überhaupt zu merken. Der Rapper Prototyp entlarvt nicht nur sich selbst, sondern auch die Mechanismen der Medien: Er freut sich schon auf die erhöhte Reichweite durch eine Doku, die vor ihm warnt.
Trotz einiger Längen, die durch die Erklärung der vielen Rollen und Orte entstehen, gelingt dem Ensemble ein spannender und tiefgreifender Abend. Ein Anliegen des Stücks erscheint jedoch zweifelhaft: Sollten wir angesichts der Bedrohung von rechts wirklich die Zuversicht aufgeben, wie Tobias Ginsburg rät? Der Autor dieser Zeilen meint: Wenn die Rechten Werte wie Freiheit, Gleichheit und Mitmenschlichkeit bekämpfen, müssen sich die Demokraten für diese einsetzen – und wie soll das gehen, ohne Zuversicht?
Die letzten Männer des Westens | 6., 16., 31.5. | Schauspiel Köln | 0221 22 12 84 00
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