Das gerade begonnene Jahrzehnt sollte eigentlich im Zeichen der „Nachhaltigkeitsagenda 2030“ der Vereinten Nationen stehen. Ziel war es, die diversen globalen Wohlstandslücken ein Stück zu schließen und den „Menschen auf der ganzen Welt ein Leben in Würde [zu] ermöglichen, Frieden und eine intakte Umwelt [zu] schaffen“. Doch dann kam die Covid-19-Pandemie mit einer Wirtschaftskrise im Schlepptau, die in ihrer Dimension nur mit der Great Depression Anfang der 1930er-Jahre vergleichbar ist. Während damals die Staaten mit einer rigiden Sparpolitik die Wirtschaftskrise erst richtig befeuerten, pumpen heute die, die dazu in der Lage sind, horrende Summen ins System. Das mag zum einen am Lerneffekt liegen, hat aber auch mit der ungleich höheren Dynamik der Corona-Krise zu tun.
In den USA sprang die Arbeitslosenquote von 4,4 Prozent im März auf 14,7 Prozent im April. Insgesamt 20,5 Millionen Arbeitsplätze gingen verloren. Die Aussichten für das weitere Jahr sagen eine Erwerbslosenquote von bis zu 30 Prozent voraus. Die Situation in den USA ist so verheerend, dass sich die US-Regierung gezwungen sah, Lohnfortzahlungen und Zuschüsse zur Krankenkasse auszuzahlen. In Deutschland hat die Bundesregierung Direkthilfen, Schutzschirme, Rettungsfonds und Kreditgarantien mit dem Gesamtwert von rund 750 Milliarden bereitgestellt, damit der Laden am Laufen bleibt. Kaum zu glauben, dass die Grundrente im Januar noch an der CDU scheiterte, die einen Zuschuss von gut einer Milliarde Euro verweigerte. Von dieser profitiert hätten mittlerweile als systemrelevant verklärte Berufe wie Kassierer*in oder Pflegekraft. Dennoch, trotz aller abfedernden Wirkungen der Billionen-Infusion, wird sich auch in Deutschland die Ungleichheit durch die Corona-Krise eher verschärfen als entspannen.
Das alles ist gar nichts gegen die Wucht, mit der die Folgen der Corona-Krise Schwellen- und wenig industrialisierte Länder trifft. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) schätzt, dass im zweiten Quartal 2020 Arbeitszeitverkürzungen und Entlassungen ein Äquivalent von 195 Millionen Arbeitsplätzen vernichten und das Einkommen von weiteren 1,25 Milliarden Menschen drastisch mindern werden. Dabei waren die meisten Betroffenen bereits vorher arm. Für Millionen bedeutet soziale Quarantäne ohne Einkommen nichts als Tod auf Raten; die Angst vor Hunger ist oft größer als die vor dem Virus. Und: Die meisten dieser Länder haben sich nicht einmal von den Folgen der letzten Finanzkrise erholt.
Der wirtschaftsliberale Nachrichtendienst Bloomberg prophezeite im April: „Wo immer Covid-19 eintrifft, verschärft es bereits existierende Bedingungen der Ungleichheit. Schon bald wird dies zu sozialen Unruhen bis hin zu Aufständen und Revolutionen führen.“ Dabei gab es schon vor Corona weltweit umfassende soziale Kämpfe gegen prekäre Lebensbedingungen und Korruption seit dem Zweiten Weltkrieg; genannt seien unterschiedliche Länder wie Chile oder Frankreich. Wenn die Pandemie halbwegs überstanden ist, wird die Agenda von der Frage bestimmt: Wer kommt für die gigantischen Rettungspakete auf? Läuft es wie in den jüngsten Krisen, muss man kein Fantast sein, um sich schon heute die staatlichen Sparprogramme und Kürzungen sowie die Auflagen des Internationalen Währungsfonds auszumalen, die da kommen werden. Doch dann sollte man auf das Bonmot: „Geschichte wiederholt sich nicht“ keine allzu hohen Wetten abschließen. Zur Erinnerung: Die Weltwirtschaftskrise im 20. Jahrhundert trug zu Faschismus und Krieg bei.
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Aktiv im Thema
www.2030agenda.de | Der Verein Global Policy Forum Europe aus Bonn informiert über die UN-Nachhaltigkeitsziele und kommentiert auch die Corona-Entwicklungen.
www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Nachhaltigkeitsindikatoren/Internationale-Nachhaltigkeit/entstehung-entwicklung.html | Das Statistische Bundesamt informiert darüber, wie es um Deutschlands Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele steht.
www.german-doctors.de/de/corona-in-entwicklungslaendern | Die German Doctors entsenden ehrenamtliche Ärzte in Entwicklungsländer und kommentieren die Herausforderungen der Corona-Krise.
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