Es liegt im Zentrum der Stadt und stellt doch so etwas wie ein kleines übersehenes Dorf dar. Die durch einen weiten Kirchhof von der Hektik der Schnellstraße getrennte Pantaleonskirche gibt dem Viertel seinen Namen. Dort, in der Steinstraße, eröffnete im letzten Herbst eine neue literarische Institution ihre Pforten in Köln. Der „Schreibraum“, eine Oase für Autoren und Übersetzer, die einen Ort der Konzentration weit ab vom Lärm der Redaktionen oder den spielenden Kindern zuhause brauchen, um ganz in ihrem Text versinken zu können. In Hamburg gibt es eine ähnliche Einrichtung, den „writers‘ room“, schon seit 20 Jahren. Sonst bietet nirgendwo in Deutschland eine Stadt ihren Kreativen ein solches Refugium an. Das Ergebnis guter Kommunikation innerhalb Kölns Kulturszene. Das Literaturhaus mit seiner Leiterin Bettina Fischer gab den Anstoß und das Kulturamt der Stadt reagierte schnell, stellte Förderung zur Verfügung und fand Sponsoren für dieses Unternehmen.
Das Ambiente ist freundlich und hell, gleich hinter der Eingangstür öffnet sich in dem renovierten Jugendstilhaus ein Gemeinschaftsraum mit hoher Decke. Es stehen aber auch abgetrennte Räume auf dem 200 qm großen Areal zur Verfügung. Zehn Arbeitsplätze können hier belegt werden, es gibt Drucker und Kaffeemaschine, eine Küche und viel Platz. Man hat Gesellschaft und kommt sich in den großzügigen Räumen trotzdem nicht in die Quere. Für 30 Euro monatlich können sich maximal 40 Schreibende einmieten, und da kreative Menschen eigenwillige Arbeitszeiten folgen, bekommt jeder einen Schlüssel, so dass man auch nachts seinen literarischen Ambitionen nachgehen kann. Mit Anja Fröhlich hat eine erfahrene Autorin die Betreuung des „Schreibraum“ übernommen. Kunst wird vor allem dort produziert, wo es Räume für sie gibt. Die meisten Autoren NRWs leben in der Domstadt. Als Kölns legendärer Kulturdezernent Kurt Hackenberg in den 60er Jahren Ateliers für junge Künstler anlegte, war die Basis für eine Blüte der Kunst geschaffen, die dann wenig später auch den ersten Kunstmarkt hervorbrachte.
Die Initiative zum „Schreibraum“ blieb ebenfalls nicht lange ohne Folgen. Inzwischen gründete sich der Verein Literaturszene Köln aus der Überlegung, dass die Literatur anders als Musik, Tanz und Theater keine organisierte Interessenvertretung innerhalb der Kulturlandschaft der Stadt besitzt. Außerdem sollen Vergangenheit und Zukunft der Literatur in Köln Thema sein. So blieb es nicht beim Einrichten, Schrauben der Tische und Montieren der Lampen. In der Nachbarschaft hielt man Lesungen in einer Galerie, einer Druckerei und dem Kloster der Karmeliterinnen ab. Eine Aktion, die sogleich nach einer Fortsetzung verlangte. Zum neu gegründeten Verein gehören neben Übersetzern und Journalisten auch Buchhandlungen und Literaturvermittler. Die Euphorie, die sich hier entwickelt hat, findet ihren Ausdruck in einem großen Event. Denn für den 4. Mai ist eine Lange Nacht der Literatur mit Lesungen und Rundgängen an circa 40 verschiedenen Orten in der Stadt geplant.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Neue Präferenzen
Ina Brandes ist neue NRW-Kultur- & Wissenschaftsministerin – Theater in NRW 08/22
Erinnerung sitzt im Ohr
Der Brunosaal: Atmosphäre, Tradition und Filmhaus Chor – Kulturporträt 10/18
Märchenschloss und Kraftwerk des Wissens
Kölns Zentralbibliothek ist eine der interessantesten Bibliotheken Deutschlands – Kulturporträt 08/18
Prächtige Theatermaschine
In der Comedia schlägt das kulturelle Herz des Kölner Südens – Kulturporträt 04/18
Kunst macht glücklich
Der KunstSalon als privater Impulsgeber der Kultur in Köln – Kulturporträt 03/18
Ein Haus der Verwandlungen
Das Theater im Ballsaal – eine der schönsten Bühnen NRWs – Kulturporträt 01/18
Ein Fluss, kein Sumpf
Wie die TanzFaktur zu einem der aufregendsten Tanzorte NRWs wurde – Kulturporträt 12/17
Immer einen Schritt voraus
Das Forum für Fotografie ist eine Konstante der Avantgarde im Rheinland – Kulturporträt 11/17
Nicht nur barfuß am Klavier
Der Kultursalon Freiraum in Köln-Sülz – Kulturporträt 10/17
Der Egoismus des Teilens
Einer von Kölns interessantesten Kunstorten ist die Horbach Stiftung – Kulturporträt 07/17
Weltkunst in Buchforst
Architektonisches Kirchenjuwel auf Kölns „Schäl Sick“ – Kulturporträt 07/17
Großartige Entdeckungen am Nierentisch
Der Fotoraum Köln, ein ungewöhnlicher Ausstellungsort – Kulturporträt 05/17
ABC-Architektur
„Buchstabenhausen“ von Jonas Tjäder und Maja Knochenhauer – Vorlesung 11/24
Übergänge leicht gemacht
„Tschüss und Kuss“ von Barbara Weber-Eisenmann – Vorlesung 11/24
Auch Frauen können Helden sein
„Die Frauen jenseits des Flusses“ von Kristin Hannah – Literatur 11/24
Comics über Comics
Originelle neue Graphic Novels – ComicKultur 11/24
Die zärtlichen Geister
„Wir Gespenster“ von Michael Kumpfmüller – Textwelten 11/24
Nachricht aus der Zukunft
„Deadline für den Journalismus?“ von Frank Überall – Literatur 10/24
Zurück zum Ursprung
„Indigene Menschen aus Nordamerika erzählen“ von Eldon Yellowhorn und Kathy Lowinger – Vorlesung 10/24
Eine Puppe auf Weltreise
„Post von Püppi – Eine Begegnung mit Franz Kafka“ von Bernadette Watts – Vorlesung 10/24
„Keine Angst vor einem Förderantrag!“
Gründungsmitglied André Patten über das zehnjährige Bestehen des Kölner Literaturvereins Land in Sicht – Interview 10/24
Risse in der Lüneburger Heide
„Von Norden rollt ein Donner“ von Markus Thielemann – Literatur 10/24
Krawall und Remmidemmi
Begehren und Aufbegehren im Comic – ComicKultur 10/24
Förderung von Sprechfreude
„Das kleine Häwas“ von Saskia Niechzial, Patricia Pomnitz und Marielle Rusche – Vorlesung 10/24
Frauen gegen Frauen
Maria Pourchets Roman „Alle außer dir“ – Textwelten 10/24