Den Wasserstand der Befindlichkeit wollte Silke Z. mit ihrem Generationenprojekt testen. Von den Männern Mitte 30 hat sie sich in „Felix trifft Felix“ sagen lassen, was sie umtreibt. Mit „Jess und Angus“ kam die bittere Seite des Körpers und seiner Verletzungen aufs Tapet, nun waren mit „Barbara trifft Bettina“ in der Orangerie die berufstätigen Mütter über 40 an der Reihe. Wie kommen sie klar mit dem Altern, ihren Betreuungsproblemen und dem Traum von einem Mann, der über die seltene Kombination von kräftigen Oberarmen und einem Schuß Humor verfügt?
Barbara Fuchs und Bettina Muckenhaupt lieferten eine tadellose Performance, in der es ihnen bis auf den verstolperten Schluss wundervoll gelang, jede Szene auf den Punkt zu bringen. Wobei die Szenen immer eine Spur länger sind, als sie sein müssten, aber genau dieser Moment lässt sie auch kippen, verleiht ihnen Ironie oder leichte Ernüchterung. Es zeigt sich wieder einmal, wie interessant dieses kleine, intime Format sein kann, in dem sich Biographisches und Fiktionales, Performance und Dramatik miteinander verschränken. Faszinierend auch, wie die beiden Frauen sich nicht in schwesterliche Kumpanei stürzen, sondern immer auch die Ecken und Kanten weiblicher Beziehungen in ihr Spiel hinein nehmen, so dass die Porträts auch Kontur erhalten.
Das Beste an dieser Produktion ist jedoch die unterschiedliche Körpersprache, der sich die Tänzerin und die Schauspielerin bedienen. Den bedächtigen, eleganten Bewegungen von Barbara Fuchs stehen hastige, temperamentvolle Reaktionen von Bettina Muckenhaupt entgegen. So unterschiedlich, wie die beiden einen Arm heben oder wie sie lächeln, so verschieden setzen sie ihre Stimmen ein, mit dem Ergebnis, dass ihre Gesten vollkommen unterschiedliche Signale aussenden. Es gibt feine Improvisationen zu sehen, es wird viel gelacht über jene weiblichen Schrullen, die sich bei Vierzigjährigen eben schon etwas tiefer ins Charakterbild eingeschrieben haben. Ein fruchtbare Dialog, der dem Publikum großen Spaß bereitet. Auch deshalb wird einem wieder einmal bewusst, wie bedauerlich es doch ist, dass in Köln die Produktionen der Tanz-Szene stets nur an einem einzigen Wochenende zu sehen sind.
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