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Zunehmende Probleme: Schwarzarbeit und Betrug im privaten Pflegedienst
Foto: Irma Flesch

Ausweitung der Grauzone

28. Februar 2013

Die Familie ist Teil europäischer Pflegemigration – Thema 03/13 Schutzbefohlen

Ende Januar wurde eine weit über 80 Jahre alte Rentnerin aus dem englischen Banstead mit Nierenversagen und Druckstellen in ihrer Wohnung gefunden. Ihr Pflegedienst war in den Fokus der Polizei geraten, nach einer Razzia wurde die Firma geschlossen und vier Menschen wegen des Verdachts auf Betrug und illegaler Beschäftigung verhaftet. Die Rentnerin hatte man dabei vergessen. Es ist ein drastischer Fall, aber er weist auf ein größeres Problem. Die private Pflege von Menschen, die eine Betreuung rund um die Uhr benötigen, findet zunehmend in einer europäisierten Grauzone statt – nicht nur in England, sondern auch in Deutschland.

90 Prozent der osteuropäischen Pflegekräfte in der BRD arbeiten schwarz
„Geschätzt sind in Deutschland ca. 100.000 bis 150.000 Pflegekräfte aus Osteuropa tätig”, meint Laura Dauer vom Bundesverband Europäischer Betreuungs- und Pflegekräfte. „90 Prozent davon arbeiten schwarz.” In der Mehrzahl handelt es hierbei um Frauen aus Osteuropa, überwiegend aus Polen, die als Pflegeassistentinnen arbeiten. Sie werden kurz geschult, lernen rudimentär Deutsch und leben gemeinsam mit den Senioren, die sie betreuen, in einer Wohnung. Gut 1.200 Euro netto verdiene eine solche Kraft, dazu kämen in der Regel Kost und Logis. „Österreich ist für viele Frauen attraktiver als Deutschland“, berichtet Laura Dauer von ihren Gesprächen. Dort habe man das Problem der Schwarzarbeit durch eine Amnestie gelindert. In Deutschland hat die Union dies letztes Jahr erwogen, den Plan aber wieder fallengelassen.
Die Lage der Frauen verbessert diese Blockade nicht. Weder für die Pflegekräfte noch für die Betreuten herrscht in der BRD ausreichend Rechtssicherheit. Wird ein Patient übergriffig oder werden Abmachungen über die Pflege oder die Arbeitszeit nicht eingehalten, ist der Gang zur Polizei oder zum Arbeitsgericht ausgeschlossen. Gewinner dieser Situation sind Agenturen, die mit der rassistischen Behauptung, dass „es in der Natur” osteuropäischer Frauen liege, „fürsorglich, warmherzig und liebevoll“ zu sein, werben und auf Provisionsbasis Pflegekräfte vermitteln. Nach dem Entsendegesetz könne eine solche Praxis illegal sein, meint Laura Dauer: „Es kommt vor, dass Firmen durch Vermittlungstätigkeit in Deutschland Geld verdienen, aber keine Sozialabgaben hier zahlen.” So entgehen dem Staat Einnahmen für die Sozialkassen, und die Frauen sind in ihrer Ausbeutungssituation ungeschützt, während sich die Pflegebedürftigen und ihre Familien wegen illegaler Beschäftigung strafbar machen.


Diese Situation zu beenden und gleichzeitig die Position der osteuropäischen Pflegekräfte zu verbessern, ist dabei die eigentliche Herausforderung. Die wenige Macht, die osteuropäische Arbeitnehmerinnen momentan besitzen, speist sich aus ihrer prekären, transnationalen Beschäftigungssituation. Nach zwei Monaten Vollzeitpflege kehren sie häufig in ihre Heimat zurück und teilen sich daher zu zweit oder zu dritt eine Pflegestelle. Diese Pendelmigration ist notwendig, um die Existenz der eigenen Familie nicht stärker zu gefährden. Jede Reform muss dies berücksichtigen – die Familie ist Teil der europäischen Arbeitsmigration geworden.

CHRISTIAN WERTHSCHULTE

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