Während in Köln die Tanz-Gastspiele von der nächsten Spielzeit an um ein Drittel zusammengestrichen werden, baut Bonn seine Tanzreihe „Highlights des Internationalen Tanzes“ weiter aus. Vierzehn hochkarätige Compagnien werden 2012/2013 in Bonn insgesamt 29 Vorstellungen geben. Und mit den gerade angelaufenen Mai-Tanztagen trumpft Bonn zum Ende der laufenden Spielzeit noch einmal groß auf. Vier Wochen wird hier Tanz vom Feinsten präsentiert: Jede Woche ist eine international renommierte Compagnie mit einem tänzerischen Highlight zu Gast.
Den Auftakt machte das enfant terrible der französischen Choreografen-Szene Philippe Decouflé mit seiner Compagnie DCA. Sein künstlerisches Spektrum reicht von der Eröffnungschoreografie der Olympischen Spiele in Lausanne bis zu einer Choreografie für die Stripperinnen des Crazy Horse. Doch längst ist Decouflé nicht mehr der Bürgerschreck der Anfangsjahre, sondern zählt zu den populärsten Choreografen Frankreichs. Geblieben ist ein wandlungsfähiger Künstler mit einem choreografischen Facettenreichtum, der den Tanz mit jedem Stück neu erfindet und der mit dem Publikum immer noch gern seinen Schabernack treibt. Schon typisch für ihn, wie er jetzt in Bonn den Szenenreigen in seinem neuen Stück „Octopus“ eröffnet: Ein Mann sitzt erst gelangweilt an einem Tisch, um dann tänzerisch-akrobatisch Arme, Beine und Körper über Tischkante, Platte und Stuhl zu schwingen oder im Kopfstand darauf zu verharren. Er erhält Gesellschaft einer Dame in Weiß. Wendet sie den Körper, wird aus der Dame ein Herr in schwarzer Abendrobe. Es mögen die zwei Seiten einer Medaille sein, auf die Decouflé mit diesem Kostüm hier verweisen möchte. Die Ambivalenz von Schönheit, Sinnlichkeit und Wollust ist sein Thema in „Octopus“, und die Tentakel der imaginären Krake scheinen dabei alle Aspekte körperlicher Ästhetik ausloten zu wollen. Im betörenden Duett einer weißen Tänzerin mit einem schwarzen Tänzer, beide mit nacktem Oberkörper, schwingt pure Sinnlichkeit mit. Dann wieder hängen zwei Tänzer in Gurten, gefesselt wie im sexuellen Bondage-Spiel. Kaleidoskopartige Videoeinspielungen simulieren eine Interaktivität der Gruppe mit sich selbst: ihre Körper zeichnen Linien und Schlieren, laufen zusammen und verschmelzen zu einer orgiastischen Einheit. Die mitreißende Live-Musik von Labyala Nosfell und Pierre Le Bourgeois mit Obertongesang und Hardrock macht die Inszenierung zu einem regelrechten Tanzkonzert. Am Ende aber bleibt nach diesem Spiel um Körperlichkeit, Schönheit und Ästhetik nur das Staunen über die choreografische Vielfalt raffiniert gestalteter Bilder in einer Tanzshow, die ihr Thema dabei immer mehr aus den Augen verliert.
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