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„Angel Aerials“ am Heizkraftwerk-Schornstein
Foto: Katja Sindemann

Von Stück zu Stück

05. Oktober 2016

Unterwegs in der 16. Kölner Theaternacht – Bühne 10/16

„Abbruch! Abbruch!“ Der Auftakt zur 16. Kölner Theaternacht gelang erst im zweiten Anlauf: Die Angels Aerials tanzten am großen Schornstein des Heizkraftwerkes Süd ein himmlisches Ballett. An Seilen befestigt ließen drei Frauen und ein Mann mit akrobatischen Drehungen, Sprüngen und Saltos in luftiger Höhe das Publikum staunen. Melodisch untermalt wurde das Flugtheater durch Sibylle Hummer mit dem Lied „Ich stand in dunklen Träumen“, Text von Heinrich Heine, vertont von Clara Schumann. Ein rot bestrahlter Schornstein in schwarzer Nacht bildete den dramatischen Hintergrund. Herzlicher Applaus belohnte das schwebende Ballett.

Weiter ging‘s ins imposante Maschinenhaus, wo zwischen Turbinen, Rohren und Kesseln die Emanuele Soavi incompany mit dem Kölner Analogtheater das Paradies suchte. „Die Hölle, das sind immer nur die anderen“, so eine der unter die Haut und ins Hirn gehenden Ansagen. Federico Casadei, Daniel Schüßler und Emanuele Soavi brachten mit ihren beweglichen Körpern die Sehnsucht nach dem Ort allen Glücks sowie das Von-Dämonen-Getrieben-Sein plastisch zum Ausdruck. Die Tür auf der Bühne, die Tür zu Himmel und Hölle – kann sie durchschritten werden? „PARADISUS?“ ist ein Ausschnitt aus dem mehrteiligen Projekt „The Habit Cycles“. Bei der zweiten Kostprobe „LVMEN“ mit C-Scope aus Den Haag ging es um Interaktion zwischen Mann und Frau. Kaum betritt diese die Bühne, reagieren jene auf sie – aber nicht im vermuteten Modus. Anstatt Anziehung und Balz erfolgt Kühle und Ignoranz – Spiegelbild für gestörtes Geschlechterverhältnis? Zwar ziehen sich die Tänzer (bis auf die Unterhose) aus, aber die zu erwartende Annäherung und Erlösung bleiben aus – schüttelt sich daher der Körper der alleingelassenen Frau in konvulsiven Krämpfen? „LVMEN“ ist wie das momenthafte Licht bei der Fotografie ein flüchtiger Einblick in die Seelen der Tänzer. Diese überzeugten mit ihren eindringlichen, ausdrucksstarken Körperperformances.

Weiter ging’s zur 1920 gegründeten Studiobühne, das älteste bestehende deutsche Universitätstheater. Dort wurden jeweils „fünfzehnminuten“ lang Beiträge aus Tanz, Theater, Literatur, Performance und Musik präsentiert. So las der Kölner Autor Samuel Horn aus „Sommer bis Herbst. Erzählungen I & II“. Erstere eine Miniatur aus einem durchschnittlichen deutschen Sommerurlaub, in dem nebensächliche Kleinigkeiten zu ungeahnter Monstrosität anwachsen können. Zweitere ein Kaleidoskop an herbstlichen Stadtimpressionen, das Assoziationen zu eigenen Bildern weckt.

Ein Macbeth und eine mittelgroße Fanta! Foto: Katja Sindemann

Weiter durch die Nacht zum Theater im Bauturm, in „Ein Macbeth und eine mittelgroße Fanta!“. Von herausströmenden Zuschauern gewarnt („sehr lustig“), war das Stück eine positive Überraschung. Ein typischer Proll (Laurenz Leky) bestellt bei McDonalds ein typisches Menü und erhält vom Verkäufer (René Michaelsen) eine untypische Gratis-Beilage: „Literatur-Happen der Woche. Sie können wählen aus alten Klassikern oder modernen Stücken“. Ruf in die Küche: „Einmal Menü, ein Macbeth und eine mittelgroße Fanta!“ Kommen drei Frittenköche und spielen mehr schlecht als recht Szenen aus der Shakespeare‘schen Tragödie um den schottischen Heerführer vor. Sachverständig trägt der McDo-Mitarbeiter das Drama in gekürzter, rheinischer Fassung vor. Der verblüffte Tünnes gibt sich kunstverständig. Da bleibt kein Auge trocken beim Publikum. „Frau problematisch“, mehr braucht es nicht, um Lady Macbeth‘ Charakter zu erklären. Der Tünnes nickt verständnisvoll. Die Morde gefallen ihm, da sieht man schon mal über die Schwächen der Laiendarsteller hinweg: „Kein Thema!“. Beeindruckt bestellt er gleich die nächste Literatur-Beilage. „Mit welchem Dressing?“

„PARADISUS?“ | Fr 14.10., Sa 15.10. 20 Uhr, So 16.10. 18 Uhr | TanzFaktur | 0221 222 00 583

Katja Sindemann

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