„560 verschiedene Wildbienenarten gibt es in Deutschland – 50 Prozent davon sind gefährdet oder vom Aussterben bedroht“, erklärt Bienenexpertin Betina Küchenhoff vor vollem Haus. So viele Imker, Bienenfreunde, Familien mit Kindern und Interessierte sind am Samstag zum WildBienenTag ins Forum Volkshochschule gekommen, dass die Stühle nicht ausreichen.
Umweltverbände wie Greenpeace, NABU, BUND und Imkervereine informieren an zahlreichen Ständen, Bärbel Höhn, Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes und andere sind gekommen, um über Bienen und deren Schutz zu reden. Honigbier und Honigkuchen stehen zur Verkostung bereit und ein großer Tisch mit Obst und Gemüse fasst das Thema anschaulich unter dem Motto „Keine Bienen – keine Früchte und keine Schokolade“ zusammen.
Eines wird schnell klar an diesem sonnigen Wintertag: Das Thema Bienen spricht die Kölner auch auf emotionaler Ebene an – vielleicht rührt es am schlechten Gewissen des aufgeklärten Stadtmenschen und steht stellvertretend für das Spannungsverhältnis zwischen Konsum und Umweltbewusstsein. Immer wieder kommt es während der Vorträge zu spontanem Zwischenapplaus und neben neugierigen Fragen auch zu angeregten Diskussionen an den Ständen. Viele Besucher bringen gesundes Halbwissen zum Thema mit.
Die Umweltinitiative „HonigConnection“ bringt Akteure zusammen
Und genau darum geht es Iris Pinkepank und Stephanie Breil vom Kölner Imkerverein, die gemeinsam mit der Stadt Köln und der Volkshochschule den WildBienenTag organisiert haben. Mit ihrer jüngst gegründeten Umweltinitiative HonigConnection wollen sie Menschen umfassend informieren und sensibilisieren, neue Zielgruppen und Informationswege zum Thema erschließen und die verschiedenen regionalen Akteure zusammenbringen, die sich für Bienen und andere bestäubende Insektenarten engagieren.
Bienen können mehr als Honig produzieren – sie sind elementar wichtig für die Pflanzenvielfalt, unsere Lebensmittel und ökologische Prozesse. „Jeder dritte Bissen hängt mit den Bienen zusammen“, warnt Pinkepank eindringlich. Wie wichtig der Bienenschutz ist, wird auch durch folgenden Zahlen deutlich: 75 % der Fluginsekten sind in den letzten Jahren verschwunden und 90 % aller Tiere sind Insekten. Der Mensch habe den Planeten für seine Bedürfnisse so gründlich umgestaltet, dass den Bienen nicht mehr viel geboten werde, erklärt Breil. Ihre Initiative nimmt sich dem Problem zunächst auf regionaler Ebene an: „Wenn es nach uns geht, wird Köln wieder zur Bienenstadt.“
Die Bienen zieht es in die Städte
Dabei geht es den Bienen – Honigbienen und Wildbienen – mittlerweile in den Städten besser als auf dem Land. Bärbel Höhn, ehemalige Umweltministerin Nordrhein-Westfalens, hält ein leidenschaftliches Plädoyer für den Wildbienen- und Insektenschutz und berichtet von einer bemerkenswerten Studie: In der Stadt sammeln Bienen demnach doppelt so viel Honig wie auf dem Land. Die Ursachen hierfür sieht sie vor allem im großflächigen Pestizid-Gebrauch und den Monokulturen in der Landwirtschaft einerseits und einem relativen Blütenreichtum in den Städten andererseits. Das Ziel müsse sein, auch die Landschaften wieder für Bienen attraktiv zu gestalten, und das gelte sowohl für die Wildbiene als auch für die Honigbiene.
Den Unterschied erklärt Betina Küchenhoff vom Wildbienenprojekt der Stadt Köln in ihrem Vortrag. Während die Honigbiene im Staatenverbund Honig produziert, sind Wildbienen Einzelgänger und als Honigproduzenten zu vernachlässigen. Trotzdem seien sie mit ihrer hohen Bestäubungsleistung mindestens ebenso wichtig für das Ökosystem: Doppelt so viele Blüten wie Honigbienen bestäuben sie täglich. Wildbienen bräuchten neue Lebensräume und Nistmöglichkeiten, auch Stadtmenschen könnten zum Bienenschutz beitragen, versichert Küchenhoff. Das Motto laute: „Wachsen lassen statt mähen.“ Außerdem könne man mit selbstgebauten Nistplätzen im Garten, Balkon oder Fensterbank die Bienen unterstützen – auch in der Kölner Innenstadt. Wie das konkret aussehen kann, können die Besucher an den zahlreichen Ständen direkt erkunden: Vom einfachen Blechdosennistplatz mit Schilfrohren bis zum ästhetisch ansprechenden, aufwendigen „Bienenhotel“ ist alles möglich.
Bienensterben durch Monokulturen und Pestizide
Peter Mann weiß das alles längst, seit 45 Jahren imkert der Kölner. An seinem Stand des Kölner Imkervereins können Besucher Honig aus den verschiedenen Stadtteilen kosten: sehr süßen „Sommertrachthonig“ aus Riehl, mild und blumig schmeckenden Blütenhonig aus Holweide oder dunkel-krümeligen, nussigen Honig aus Ehrenfeld. Verschiedene Entwicklungen hätten das Imkern mit den Jahren jedoch deutlich erschwert, erzählt er im Gespräch. So machten vor allem die aus Asien eingeschleppte Varroamilbe und der zunehmende Gebrauch von bienenschädlichen Pestiziden den Bienen zu schaffen. Durch die Pflanzenschutzmittel blühten die Felder auch im Kölner Raum herum immer weniger – ungespritzte Flächen gebe es fast nur noch in Straßengräben.
Doch wie lässt sich das Pestizid-Problem lösen? Wer trägt die Verantwortung für umwelt- und bienenschädliche Landwirtschaft? Die eingeladenen Gäste sind sich in der Diskussion nicht ganz einig: Dr. Bernhard Polten vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sieht die Verantwortung für nachhaltigen und bewussten Konsum auch beim Verbraucher – dieser könne beispielweise mit dem Kauf von regionalem Honig und ökologischen Lebensmitteln die Industrie maßgeblich steuern. Bärbel Höhn plädiert auf eindeutige Kriterien und Kennzeichnungen aller Lebensmittel aus landwirtschaftlicher Produktion – nur so könne der Bürger mündige Entscheidungen treffen. Außerdem brauche es mehr Regulation in der Landwirtschaft im Sinne der Bienen, ist sie überzeugt, denn „wenn es den Bienen nicht gut geht, kann es den Menschen auch nicht gut gehen“. Öffentliche Fördergelder für Landwirte müssten, so ihre Idee, außerdem weniger nach dem Kriterium „Fläche“, als vielmehr nach ökologischen Gesichtspunkten vergeben werden. Dr. Alfred Buß, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW, betont die Bedeutung der Informationspolitik, denn „die Zivilgesellschaft hat ein Recht auf verständliche und fundamentale Umweltbildung“.
Am Ende des Tages haben die Besucher einiges über Ursachen des Bienensterbens, Notwendigkeit des Bienenschutzes und eigene Handlungsspielräume in Köln gelernt. Insgesamt blieb das Thema (Wild-)Bienen-Schutz auf politischer Ebene – und damit die Frage, wie der Bienenschutz gegen die mächtige Agrar-Lobby bestehen kann – leider an vielen Stellen vage. Sinnvolle Ansätze kamen vor allem von Bärbel Höhn, die sich jedoch 2017 vom deutschen Bundestag verabschiedet hat.
In Köln planen die Gründerinnen von HonigConnection, die bereits beim Rosenmontagszug für den Bienenschutz demonstriert haben, für die nächsten zwei Jahre viele konkrete Aktionen wie Vorträge, Workshops und Demonstrationen. „Es ist noch gar nicht lange her, dass es die Wildbienen in die Städte getrieben hat“, erklärt Pinkepank, „nun müssen wir in Köln nachziehen.“
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