Wenn das neue Jahr beginnt, ist die Zeit der guten Vorsätze gekommen. Nicht mehr Rauchen, weniger Zucker, mehr Sport, öfters mal Salat. Dahinter steckt der Wunsch nach guter Gesundheit. In einer Studie eines US-Forscherteams um T. Joel Wade von der Bucknell University über Versöhnungsstrategien von Männern und Frauen wurde vor kurzem darauf hingewiesen, dass in einem Beziehungskonflikt zwar eine Trennung die beste Option sein kann, um den Streit zu lösen. Trennungen implizierten aber auch Stress, finanzielle Schwierigkeiten oder Unzufriedenheit. Versöhnungsstrategien hingegen hätten einen positiven Effekt für beide Seiten. Menschen, die vergeben können und zur Versöhnung fähig sind, hätten gesundheitliche Vorteile. Wieso also nicht mal den Vorsatz für das neue Jahr, in Konfliktsituationen mit dem Partner versöhnlicher zu sein? Immerhin wünschen wir uns zu Jahresbeginn doch immer ein glückliches und gesundes Neues Jahr.
Eine der Hauptschwierigkeiten mit dem Vergeben, Vergessen und Versöhnen ist meist die vorausgehende, jämmerliche Streitqualität. Da werden Türen geschlagen, Geschirr zerdeppert, Tiernamen geschrien. Eskaliert ein Streit immer wieder, endet das in Missmut. Feindseligkeit und Misstrauen ziehen in die Beziehung ein und jeder denkt vom anderen: Er/Sie meint es nicht mehr gut mit mir. Beziehungen können da eine brutale Dynamik entwickeln, ein Scheitern ist irgendwann nicht mehr vermeidbar. Wäre kultiviert gestritten worden, das Kind wäre vielleicht nicht in den Brunnen gefallen.
Dabei ist Streit an sich nichts Schlimmes. Für die die meisten Psychologen hat Streit eine wichtige Ventilfunktion. Manche Dinge müssen einfach geklärt werden. Auseinandersetzungen zeigen, dass da etwas ist zwischen den Partnern. „Wir streiten uns nur mit Menschen, die uns wichtig sind“, sagt die Psychologin und Buchautorin Berit Brockhausen.
Therapeuten raten Paaren daher, sich für Streitsituationen Regeln zu geben. Partner sollen einen Vertrag vereinbaren, der pauschale Vorwürfe und Beschimpfungen ausschließt. Die Kontrahenten sollten eine Ausstiegsklausel vereinbaren, falls die Emotionen zu hoch kochen. Wer sich aufregt, produziert Stresshormone. Die verschwinden aber genauso schnell, wie sie kommen. Wer den Raum verlässt, hat gute Chancen, sich schnell wieder zu beruhigen.
Zudem sollten Paare erkennen, warum sie sich streiten. Viele glauben, es gehe um Kleinigkeiten – die nicht zugedrehte Zahnpastatube, die herumliegenden Socken, das dreckige Geschirr. In Wirklichkeit geht es aber um etwas ganz anderes, worüber man sich Klarheit verschaffen muss. Ein Streit sollte auch nicht ausufern. 20 Minuten, so Experten, reichen vollkommen aus. Was dann nicht geklärt ist, wird auch nicht mehr geklärt. Endlose Diskussionen machen mürbe und kaputt. Wichtig ist auch, mit welcher Haltung geht man in ein Konfliktgespräch? Ist der Partner Gegner, gegen den etwas durchgesetzt werden soll, oder Verbündeter, mit man eine Lösung finden will? Damit man es nicht leichtfertig zur Eskalation kommen lässt, sollte man zuvor bedenken: Welche Folgen könnte sie haben, und will ich die in Kauf nehmen?
Wer schließlich ein Time-Out im Konfliktfall einfordert, muss unbedingt den Gesprächsfaden wiederaufnehmen. „Es ist sehr wichtig, später weiterzureden und den strittigen Punkt wieder aufzugreifen", sagt Brockhausen. Das sollte allerdings dann nicht morgens vor dem ersten Kaffee oder abends todmüde auf dem Sofa sein. Je nachdem, wie man den Partner anspricht, lässt sich ein Gespräch lenken. Man kann sagen: „Das war unmöglich von dir.“ Man kann den anderen aber auch zur Auseinandersetzung einladen: „Das hat mich total beschäftigt. Es würde mich interessieren, was du darüber denkst.“ Falsch ist es, den Partner mit Vorwürfen zu überschütten. Und statt sich frontal am Tisch gegenüberzusitzen, könnte man auch spazieren gehen und Händchen halten, dann hört man sich anders zu.
Ob Versöhnung möglich ist, liegt daran, wie zuvor gestritten wurde. Kultiviertes Streiten gibt jedenfalls Raum für Versöhnung. Und wie die Forscher herausgefunden haben ist die in den meisten Fällen besser für die Gesundheit. In diesem Sinne: Ein glückliches, versöhnliches und gesundes 2018.
Lesen Sie weitere Artikel
zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und engels-kultur.de/thema
Aktiv im Thema
familiensache-koeln.de | Beratung von Familien im Konfliktfall – der Kölner Verein sieht sich als „Anwalt der Kinder“, die bei Streit und Trennungen am meisten leiden.
partnerschaft-beziehung.de | Die Diplompsychologin und Psychotherapeutin Dr. Doris Wolf hat auf dieser Webseite wichtige Tipps für erfüllte Partnerschaften zusammengetragen.
mediator-finden.de | Sind Konflikte erst einmal festgefahren, hilft häufig nur Vermittlung durch Dritte. Die Suchfunktion erlaubt die eingeschränkte Suche für den familiären Bereich.
Konflikte gehören zum Leben: Was nagt an Ihnen?
Vergeben und vergessen? Zukunft jetzt!
Schreiben Sie uns unter meinung@choices.de.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Einer wählt CDU, der andere die Linke“
Paartherapeut Michael Cöllen über Streitkultur und Versöhnung – Thema 01/18 Versöhnung
Miteinander streiten. Nicht gegeneinander
Mediatoren vermitteln in Familien – Thema 01/18 Versöhnung
Mit Frühstückseiern reden?
Versöhnung beginnt am Küchentisch – Thema 01/18 Versöhnung
Rassismus kostet Wohlstand
Teil 1: Leitartikel – Die Bundesrepublik braucht mehr statt weniger Zuwanderung
Schulenbremse
Teil 2: Leitartikel – Was die Krise des Bildungssystems mit Migration zu tun hat
Zum Schlafen und Essen verdammt
Teil 3: Leitartikel – Deutschlands restriktiver Umgang mit ausländischen Arbeitskräften schadet dem Land
Aus Alt mach Neu
Teil 1: Leitartikel – (Pop-)Kultur als Spiel mit Vergangenheit und Gegenwart
Nostalgie ist kein Zukunftskonzept
Teil 2: Leitartikel – Die Politik Ludwig Erhards taugt nicht, um gegenwärtige Krisen zu bewältigen
Glücklich erinnert
Teil 3: Leitartikel – Wir brauchen Erinnerungen, um gut zu leben und gut zusammenzuleben
Es sind bloß Spiele
Teil 1: Leitartikel – Videospiele können überwältigen. Wir sind ihnen aber nicht ausgeliefert.
Werben fürs Sterben
Teil 2: Leitartikel – Zum Deal zwischen Borussia Dortmund und Rheinmetall
Das Spiel mit der Metapher
Teil 3: Leitartikel – Was uns Brettspiele übers Leben verraten
Demokratischer Bettvorleger
Teil 1: Leitartikel – Warum das EU-Parlament kaum etwas zu sagen hat
Europäische Verheißung
Teil 2: Leitartikel – Auf der Suche nach Europa in Georgien
Paradigmenwechsel oder Papiertiger?
Teil 3: Leitartikel – Das EU-Lieferkettengesetz macht vieles gut. Zweifel bleiben.
Friede den Ozeanen
Teil 1: Leitartikel – Meeresschutz vor dem Durchbruch?
Vom Mythos zur Mülldeponie
Teil 2: Leitartikel – Wie der Mensch das Meer unterwarf
Stimmen des Untergangs
Teil 3: Leitartikel – Allen internationalen Vereinbarungen zum Trotz: Unsere Lebensweise vernichtet Lebensgrundlagen
Zu Staatsfeinden erklärt
Teil 1: Leitartikel – Der Streit über Jugendgewalt ist rassistisch aufgeladen
Der andere Grusel
Teil 2: Leitartikel – Von der rätselhaften Faszination an True Crime
Maßgeschneiderte Hilfe
Teil 3: Leitartikel – Gegen häusliche Gewalt braucht es mehr als politische Programme
Die Masse macht’s nicht mehr
Teil 1: Leitartikel – Tierhaltung zwischen Interessen und Idealen
Wildern oder auswildern
Teil 2: Leitartikel – Der Mensch und das Wildtier
Sehr alte Freunde
Teil 3: Leitartikel – Warum der Hund zum Menschen gehört
Durch dick und dünn
Teil 1: Leitartikel – Warum zum guten Leben gute Freunde gehören