Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
25 26 27 28 29 30 1
2 3 4 5 6 7 8

12.582 Beiträge zu
3.812 Filmen im Forum

Nicht überall sind grüne Oasen in der Stadt so versteckt
Foto: Jon Witte

Tragödie oder Happy End?

25. Juli 2013

Eine (sehr) kurze Geschichte des Gartenbaus als Gemeingut – Thema 08/13 Urban Gardening

Gemeingüter haben Konjunktur. Nicht nur im Gartenbau, auch in der Wissenschaft (Open Access) oder in der Software (Open Source). Allen gemeinsam ist ein historisches Vorbild. Seit dem Mittelalter hatte fast jede Gemeinde Ackerflächen, die von allen Bewohnern gemeinsam bewirtschaftet werden konnten – die sogenannten Allmende. Diese Periode kam mit den sogenannten Einschließungen, dem Übergang des gemeinsamen Ackerlands in Privateigentum, im 18. und 19. Jahrhundert an ihr Ende. Für den britischen Sozialhistoriker E.P. Thompson waren diese Einschließungen eine perfide Taktik. Zum einen konnten Großbauern auf diese Art ehemals gemeinsam bewirtschaftetes Land unter ihre Kontrolle bringen, zum anderen stand die Landbevölkerung, wenn sie einmal ihrer Lebensgrundlage beraubt war, als billige und willige Arbeitskraft für die neuen Minen und Fabriken zur Verfügung. Andere Historiker wiederum sahen im damit verbundenen Ende der Selbstversorgungslandwirtschaft eine notwendige Voraussetzung, um Probleme der Versorgung mit Lebensmitteln in den Griff zu bekommen.

Bis heute werden im Streit zwischen den Anhängern der Gemeingüter und ihren Gegnern ähnliche Argumente ausgetauscht. Garrett Hardin schreibt in seinem vielbeachteten Aufsatz „The Tragedy of the Commons“, dass eine Gemeingüterwirtschaft zum unausweichlichen Verfall der Allmende und einem ökologischen Raubbau führt, weil sich einzelne auf Kosten der Gemeinschaft bereicherten. Deshalb sei der Privatbesitz eine brauchbare Alternative. Befürworter der Gemeinwirtschaft wie die Ökonomin Elinor Ostrom verweisen dagegen auf eine effiziente Verwaltung der Allmende in kleinen Einheiten, z. B. Kommunen. Auch freie und Open Source-Software wird immer wieder als Argument für eine funktionierende Allmende angebracht. Und das neueste, ein wenig handfestere Beispiel der Befürworter sind Gemeinschaftsgärten wie die Pflanzstelle in Kalk.

Zurück zur Geschichte. Das Problem der schlechten Versorgungslage der zu Industriearbeitern gewandelten Landbevölkerung war auch nach dem Ende der gemeinschaftlichen Subsistenzwirtschaft nicht gelöst. Niedrige Löhne machten eine teilweise Selbstversorgung mit Lebensmitteln notwendig, lange Arbeitszeiten erschwerten sie. In der Arbeiterbewegung wurde deshalb die Frage der Selbstversorgung wieder thematisiert – mit durchaus unterschiedlichen Ergebnissen. Ein reformistischer Flügel propagierte städtebauliche Veränderungen. Die Gartenstadtbewegung sah vor, im Grünen auf ehemaligem Ackerland neue Städte zu bauen, die sowohl private Gärten als auch gemeinsam genutzte Gartenflächen einschloss. Damit beeinflusste sie den Arbeitersiedlungsbau bis weit in die Weimarer Republik hinein. Für den anarchistischen Flügel war Selbstversorgung Teil der Wiederaneignung der Produktionsmittel, und auch wenn sie sich damit nicht in der historischen Arbeiterbewegung durchsetzen konnten, inspirierten Neo-Anarchisten wie Colin Ward die aufkommende Landkommunenbewegung in den 1970ern.

Und die Schrebergärten? Die hat sich ein Leipziger Lehrer um 1860 als Beschäftigungsmöglichkeit für spielende Arbeiterkinder ausgedacht.Mit Gemeingut haben sie nichts zu tun.

CHRISTIAN WERTHSCHULTE

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Vaiana 2

Lesen Sie dazu auch:

Pflanzen für die Zukunft
Dokumentarfilmer Nicolas Humbert mit „Wild Plants“ in der Filmpalette – Foyer 01/17

Schnippelparty in Garten-Atmosphäre
„CampusGartenKüche“ im CampusGarten der Universität – Spezial 01/17

Nichts gegen Bio, aber…
Besseres Essen und ein vermeintlich reines Gewissen haben ihren Preis – THEMA 01/17 BIOKOST

„Ich bin Ökodemokrat!“
Umweltwissenschaftler Michael Kopatz über Konsumentenverantwortung und Öko-Diktaturen – Thema 01/17 Biokost

Müll, der gar nicht erst entsteht
Unverpackt-Laden „Tante Olga“ in Köln-Sülz – Thema 01/17 Biokost

Mit lila Tomaten geht die Schutz-Saat auf
Alternative Züchter trotzen den großen Konzernen und erweitern die Palette von Gemüse- und Getreidesorten – Innovation 04/15

Wo man sich wohlfühlt
Veranstaltung „Orte des guten Lebens in Köln“ – Spezial 03/15

Quartiersgärten – wo Bürgerkreativität ins Kraut schießt
Auf früheren Brachen wird gemeinschaftlich gepflanzt und geerntet. Und die ersten Experimentierfelder sollen Abkömmlinge bekommen – Innovation 09/14

Keine Pflanze ist illegal
Vom Urban Green zum Urban Gardening – THEMA 08/13 URBAN GARDENING

„Unser Gemüse ist Allgemeingut“
Pit Giesen und Pauline Rieke über die „Pflanzstelle“ in Köln-Kalk – Thema 08/13 Urban Gardening

Betreutes Gärtnern
Katrin Ivanov über Urban Gardening, Knowhow und Dienstleistung – Thema 08/13

Guten Appetit
Essbare Städte von Andernach bis Zürich – Thema 08/13

choices Thema.

Hier erscheint die Aufforderung!