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Dramaturg Dr. René Michelsen, Theaterleiter Laurenz Leky und Bernd Schlenkrich (Geschäftsführung) (v.li.n.re.)
Foto: Michael Cramer

Glokales Theater

11. Juli 2016

Die neue Spielzeit 2016/17 im Theater im Bauturm – Theater am Rhein 07/16

„Ich brauche jetzt ich nur noch einen KiTa-Platz für meinen Sohn, um so richtig in Köln anzukommen“, verriet Bernd Schlenkrich, der neue Geschäftsführer des Theater im Bauturm auf der Spielplan-Pressekonferenz den neugierigen Journalisten. Zumal er sich mit „Moin moin“ auch noch als Nordlicht outete. Und erntete damit prompt einen kleinen Lacherfolg, nicht das einzig Positive an diesem Vormittag. Das neue Leitungsteam des Theaters mit dem Schauspieler Laurenz Leky, dem Dramaturgen Dr. René Michelsen und Bernd Schlenkrich hat sich viel vorgenommen für die kommende Spielzeit. Und sieht sich klar als „Leitungscombo“; hörbares Zeichen war „I was born in a crossfire hurricane“, perfekt mit Gitarre, Posaune, Schellenkranz und Gesang. Ein Start, der aufhorchen ließ.

„Glokales“ Theater ist das Schlagwort für die Zukunft, Kölner Geschichten wie auch Welttheater – mit begrenzten Mitteln, aber mit umso mehr Fantasie und Ideen. Man will die gute alte Bauturm-Tradition erhalten, mit Spiellust und persönlichem Engagement; die Freiheit und Flexibilität, so Leky, seien hier besser als an jedem Stadttheater. Er selbst war in verschiedenen Häusern engagiert, hat in England ein Masterstudium absolviert, leitete als freier Regisseur zahlreiche Produktionen unter anderem auch in Afrika und ist seit knapp drei Jahren Assistent an der Seite von Gerhardt Haag. Dieser tritt nach 21 Jahren Bauturmleitung in die zweite Reihe zurück, wird aber weiterhin die Auslands-Aktivitäten (z.B. africologne-Festival) des Theaters betreuen. (Hier finden Sie unseren Artikel zur Abschiedsfeier).

René Michelsen ist Musikwissenschaftler und ein Jugendfreund von Leky, man hat als Schüler schon zusammen Kabarett gespielt; das klingt verheißungsvoll. Nach langjähriger Mitarbeit an den Universitäten Köln und Frankfurt und dramaturgischer Betreuung zahlreicher Theaterstücke, ist er nun im Bauturm angekommen. Auch Schlenkrich ist studierter Theaterwissenschaftler und hat seit 2001 in zahlreichen Projekten als Regisseur, Dramaturg und Organisator gearbeitet.

Man hat sich im Leitungsteam auf eine leichte Verschlankung des Personals und auch der Stücke geeinigt; in Zukunft ist dienstags und mittwochs spielfrei. Das bringt eine gewisse Entlastung, aber auch verstärkte Probentätigkeiten und die Möglichkeit, tagesaktuelle Stücke oder auch kurzfristige Wiederholungen besonders nachgefragter Produktion spielen zu können. Und: „Wir möchten unsere Leute auch ein wenig besser bezahlen können.“ Wie in den vergangenen Jahren wird es vier neue Haus- und zwei Fremdproduktionen geben; mehr ist beim finanziellen Rahmen nicht drin. Die Förderung durch die Stadt Köln und das Land machen weniger als 50 % des Etats aus, daher ist das Haus sehr erfreut über die Zuwendungen von Seiten der als gemeinnützig anerkannten Theaterfreunde.

Die Saison beginnt am 10. September mit dem Klassiker „Die Hose“ von Carl Sternheim, einer wunderbaren Komödie über das rutschende Kleidungsstück, welches damit das ohnehin längst poröse Sittenkorsett der Zeit zum Platzen bringt. Regie führt Thomas Ulrich, durch zahlreiche Erfolgsstücke im Hause bestens bekannt. Der Schauspieler Jonas Baeck spielt dann in dem 1-Mann-Stück „Ukulele Jam“ von Alen Meskovic einen Geflüchteten, der mit seiner Notsituation und im Umfeld zurecht kommen muss; eine Uraufführung und hochaktuelle Produktion. Premiere ist am 22.10., Regie führt Dorothea Schröder, die früher selbst einmal als Helferin in einem kroatischen Flüchtlingslager tätig war.

Eine weitere Uraufführung mit Lokalkolorit folgt mit „Petermann!“ (18.3.2017), der Geschichte um den sehr beliebten, aber vereinsamten Schimpansen „Petermann“, der lebenslang in seinem Käfig im Kölner Zoo einsitzen musste – und sogar ein Sparbuch bei der lokalen Sparkasse besaß. Durch eine Unachtsamkeit konnte er entkommen, verletzte den damaligen Zoodirektor Günther Nogge sehr schwer und musste erschossen werden. Der Name hatte sich tief im Gedächtnis der Kölner eingegraben und tauchte überall auf („Petermann, geh Du voran“). Zu seinem 30. Todestag spielt Theaterchef Leky mit seiner Brassband „Die Erbengemeinschaft“ das Stück über einen rebellischen Affen, über Harmoniebedürfnis und Protest. Regie führt Nina Gülstorf, die zusammen mit Leky die alte Geschichte anhand von Zeitungsartikeln, Interviews, Zeitzeugen und Berichten über den Kölner Karneval, in dem Petermann oft aufgetreten war, eingehend recherchiert.

Die letzte Premiere, ebenfalls eine Uraufführung, läuft im April 2017 mit „Der siebte Kontinent – Reise zur größten Mülldeponie der Erde“ unter der Regie von Jan-Christoph Gockel, eine Koproduktion mit dem Theater Bonn und dem africologne-Festival. Es geht um Plastik; einst als unzerstörbar gepriesen, ist es heute ein gigantischer Abfallberg, dem es den Kampf anzusagen gilt.

Als Gastspielpremiere erscheint „Iphigenie“ nach Euripides in einer Version von Kostas Papakostopoulos, eine politische Produktion des Deutsch Griechischen Theaters in Köln (18.11.), sowie im Januar 2017 „Flaschko – Der Mann in der Heizdecke“, der immer noch bei seiner Mutter wohnt. Von Christoph Gottwald mit Hella von Sinnen und Thomas Hackenberg nach einem Comic von Nicolas Mahler.

Die meisten der sehr erfolgreichen Stücke wie „Bunbury“, „Der Prozess“, „Die Wunderübung“ oder „Verbrennungen“ bleiben auf dem Spielplan, ebenso Ingolf Lück mit seiner faszinierenden Solonummer „Seite eins“. „Der Kontrabass“ wird allerdings nach über 1000 Aufführungen definitiv nicht mehr gespielt. Aber „Kunst“, jüngst in der 500. Wiederholung, bleibt. Der Rezensent hatte von den chirurgischen Kompressen noch eine große Packung zu Hause, zwar überlagert, aber für das Schauspiel prima. Damit sind auch noch mehr als 100 Aufführungen gesichert.

Zum Schluss noch ein Abschiedssong – und dazu die Aussicht auf eine spannende Saison eines kleinen Theaters, welches sich vor großen Konkurrenten nicht zu fürchten braucht.

Michael Cramer

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