Den Tabus der anderen haftet immer etwas Lächerliches an. Dass muslimische Frauen Kopftücher tragen, darüber können Mitteleuropäer nur den Kopf schütteln. Dass sich in der Wandlung während der römisch-katholischen Messe Brot und Wein in Fleisch und Blut verwandeln, mutet denen, die nicht nach den Geboten der christlichen Kirche leben, mitunter wie eine verschrobene Form von Kannibalismus an. Hartmut Kraft, im Brotberuf Facharzt für Nervenheilkunde, hat mit seiner Frau Maria Kunstwerke gesammelt, die Tabus zum Thema haben, oder sich an ihnen reiben.
Im Rahmen des Sommerblut Festivals zeigt Kraft Arbeiten aus seiner Sammlung unter dem Titel „Kunst & Tabu“ im Alten Pfandhaus in Köln. Ein interessanter Ort, weil sich auf zwei Etagen die ambivalente Natur des Tabus zeigen lässt. Denn Tabus erfüllen eine wichtige Funktion in Gesellschaften, in ihnen kommt ein „Meidungsverbot“ zum Ausdruck. Über der Grenzziehung des Tabus stellen wir als Gruppe unsere Identität her. Nicht nur die „Political Correctness“ gebietet es uns zum Beispiel, Unwörter wie „Nigger“ oder „Judensau“ nicht zu benutzen. Da schmerzt dann allerdings umso mehr der Hinweis von Hartmut Kraft, dass es in elf Deutschen Kirchen noch mittelalterliche Darstellungen der „Judensau“ geben soll.
Die Ausstellung zeigt im Bereich der notwendigen Tabus Darstellungen der sieben Todsünden oder eine Arbeit von Wolf Vostell von nackten Frauen und Kindern im KZ Treblika. Neben einer Darstellung der „Habsucht“, die zum luziden Reigen der Todsünden zählt, hängt die Beuys-Graphik „Nehmt was ihr kriegen könnt“ von 1967. Eine Etage tiefer zeigt uns Hartmut Kraft „Die Lust am Tabubruch“. Der Zensur ist zum Beispiel eine Arbeit von Birgit Kahle schon zum Opfer gefallen, die eine Fotografie von der unbekleideten Künstlerin zeigt, auf der für das Projekt „Kunst auf Rezept“ das Papier eines Rezeptblocks in die Vulva gesteckt wurde. Peter Gilles zeigt großformatige Bilder, auf denen er ausnahmslos mit seinem eigenen Blut malte. Vom Aktionskünstler Herman Nitsch ist eine Abendmahldarstellung zu sehen, auf der alle Beteiligten in feinen Anatomiedarstellungen gezeichnet sind. An Objekten wie dem von Klaus Staeck und Hans Peter Feldmann entworfenen Frühstücksbrettchen mit dem Aufdruck „Sieg Heil“ hat auch die Staatsanwaltschaft schon Anstoß genommen. Der Humor kommt nicht zu kurz bei dieser interessanten Präsentation, wenn die konzentrierte Verletzung von Tabugrenzen emotional mitunter auch tief unter die Haut gehen kann. Die Schmerzgrenze ist halt bei jedem anders gelagert, deshalb versteht sich der Untertitel der Ausstellung durchaus nicht nur als augenzwinkernde Warnung, wenn es da heißt: „Betreten der Ausstellung auf eigenen Gefahr“.
„Kunst & Tabu“ | bis 17.5. | Altes Pfandhaus, Kartäuserwall 20 | www.altes-pfandhaus.de
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