Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
23 24 25 26 27 28 29
30 31 1 2 3 4 5

12.583 Beiträge zu
3.812 Filmen im Forum

Iranerin Maryam Tafakory, „Absent Wound“ (2018)
Foto: die Künstlerin

Sinnvolle Wahrnehmung durch eine Linse

27. Februar 2019

Die 17. Videonale im Bonner Kunstmuseum – Kunstwandel 03/19

Eine Wirklichkeit findet heute nicht mehr statt. Tatsächlich wird jeder Blick auf Materie und deren Stillstand oder Bewegung im Raum von alternativen Strategien und Möglichkeiten belastet, von digitalen Spiegelwelten ganz zu schweigen. Die 17. Videonale im Bonner Kunstmuseum geht zumindest von einer Verzerrung der Realität aus. Unter dem Titel „Refracted Realities“ (Gebrochene Wirklichkeiten) zeigt dasFestival für Video und zeitbasierte Kunstformen in diesem Jahr 29 aktuelle internationale künstlerische Positionen auf Bildschirmen und -wänden. Über 1.100 Einsendungen von Videokünstlern aus über 60 Ländern machten eine Auswahl nicht leicht.

Der erste Blick in die karge dunkle Szenografie lässt das Auge bereits flimmern. Hier flanieren Massen von Menschen über einen Zebrastreifen, dort tropft Blut zwischen zwei schmale nasse Füße. Wer sich tatsächlich auf die Suche nach den echten Sekunden der Realität machen will, der muss in den kommenden Wochen fast 800 Minuten Video schauen, das sind komplette zwei Arbeitstage im Museum. Schnelle Highlights sind bei der Videonale nie zu finden, immer wenn der Betrachter denkt, das sei es, schnellt aus dem Bildschirm die nächste Unerhörtheit. Klar, das artifizielle Fotogehacke (ist liebevoll gemeint) eines Tobias Zielony kennt man („Maskirovka“ von 2017: über 5.000 Bilder in 8:46 Min),vielleicht auch noch die Arbeiten von Clemens von Wedemeyer („Transformation Szenario“, 2018, 20:00 min), der in Bonn auf mehreren Bildschirmen mit der Macht von Massen spielt.

Die für mich eindrucksvollste Arbeit stammt von der Iranerin Maryam Tafakory. Ihr Single-Channel Video „Absent Wound“ (2018) ist ein zehnminütiger Einblick in immaterielles Kulturerbe der UNESCO im Iran. Dort sind in rituellen Krafttrainingsräumen mit Schwimmbad, sogenannten „Zurchaneh“, Frauen traditionell (ist klar) nicht geduldet. Dennoch scheint sich eine eingeschlichen zu haben, unerkannt, nur Hände und Füße sind zu sehen und dann tropft eben Blut, findet sich in Schüsseln und Lappen: „I am not ill, nor wounded by spear“. Die männlichen Muskelpakete pumpen stoisch weiter. Dieser weltweite Kampf der Frauen wird noch lange weiter gehen müssen.

Videonale.17 | bis 14.4. | Finissage-Programm: 10. - 14.4. | Kunstmuseum Bonn | v17.videonale.org

Peter Ortmann

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Die leisen und die großen Töne

Lesen Sie dazu auch:

Der Blick einer Hunde-Mumie auf Lanzarote
Videonale 18 im Kunstmuseum Bonn – Kunstwandel 03/21

Anti-Oscar-Stimmung
Der Filmclub 813 im November – das Besondere 11/18

Jenseits von Infotainment
Retrospektiven ehren die Filmkünstler Sharon Lockhart und Kevin Jerome Everson – Festival 12/17

Zurückeroberte Zeit
Videonale.scope mit Sharon Lockhart und Kevin Jerome Everson – Festival 12/17

Kunstwerke mit Zeitfaktor
Die 16. Videonale im Bonner Kunstmuseum – Kunstwandel 03/17

Komplexität eines Charakters
Wilhelm Hein zeigt bei der Videonale.scope #4 sein Opus Magnum – Foyer 12/16

Jahrgang 1942
Die Köln-Bonner Veranstaltung erforscht die Schnittstelle zwischen Film und Kunst – Festival 11/13

Abschluss ohne Kopfhörer
Finissage der Videonale 13 am 28. und 29.5. im Bonner Kunstmuseum - Kunst in NRW 05/11

Wie lang können 15 Minuten werden?
Zwischen Leinwand und Flachbildschirm. Die 13. Bonner Videonale zeigt Filme von 48 Künstlern, zum Teil im Kinoformat - Kunst in NRW 05/11

Kunst.

HINWEIS