Vier große Fotografen Amerikas produzierten ihre eigenen Visitenkarten. Sie liebten die Schönheit des Alltags, das scheinbar Nebensächliche und dabei besaßen ihre Werke mitunter beträchtliche politische Wirkung. Aber vor der Ambition stand die Beobachtung, der hatten sich Walker Evans, Manuel Álvarez Bravo, Lee Friedlander und Garry Winogrand mit ihrer Fotografen-Seele verschrieben. Die vier Freunde wussten um ihre Bedeutung, lange bevor die Kunstwelt ihren Rang zu ermessen vermochte. Aber bevor ihnen die anderen huldigten, leisteten sie sich selbst diesen Liebesdienst am eigenen Werk. 1973 gab das Quartett vier Portfolios mit 15 Arbeiten eines jeden von ihnen in der New Yorker Double Elephant Press in Auftrag.
Das Elefanten-Prädikat bezieht sich auf einen Spezialbegriff der Herstellung, durch den eine exquisite Qualität garantiert ist. Das heißt, es kamen nur der beste Druck und die beste Ausstattung in Frage. Das Produkt sollte herausragend werden, tatsächlich wurde es legendär. Die 15-teiligen Konvolute, die jetzt von der Galerie Thomas Zander im Rahmen der Internationalen Photoszene gezeigt werden, enthalten etliche der späteren Ikonen der Fotografie des 20. Jahrhunderts. Die Künstler stellten selbst die Serien zusammen, mit denen sie eine Charakterzeichnung des eigenen Werks vornahmen. Walker Evans wird erkennbar als Wegbereiter, der mit seinen Aufnahmen von Reklametafeln die Brücke von der Fotografie zur Konzeptkunst schlug. Ihn verehrt man heute als den großen alten Mann der amerikanischen Fotografie, auf dessen Werk die späteren Generationen anerkennend zurückblicken.
Lee Friedlander war der Initiator des Projekts. Er scheint den Platz im Zentrum der Amerikanischen Fotografie einzunehmen. Die Motive der Spiegelung und Überlagerung von Wirklichkeit auf den Straßen und den Suburbs von New York zeigen die Raffinesse seiner Kompositionen. Friedlander bedient die Kamera wie ein Autor, der nach der Bedeutung Ausschau hält, die Gegenstände und Situationen in der Realität stiften.
Der Mexikaner Manuel Álvarez Bravo bringt ein ganz eigenes Temperament in das Projekt ein. Mit seinem sozialen Engagement und dem Blick für die Reize der Oberfläche von Stoffen und menschlicher Haut bringt er die sinnliche, warme Komponente ein. Àlvarez Bravo hatte noch mit Henri Cartier-Bresson zusammengearbeitet, und dennoch wandte er sich im Grunde nie dem Anekdotischen zu, sondern öffnet in seinen Fotografien die Bildränder für neue Betrachtungsweisen. Mit Garry Winogrand enthält das Projekt die Arbeiten jenes Fotografen, der die Energie, die Amerikas Gesellschaft während der sechziger Jahre durchströmt, auf der Straße einfängt. Den Reichtum, die Freiheit und der sich ankündigende Niedergang Amerikas findet sich in seinen Fotografien schon dokumentiert. So lässt sich die historische Entwicklung von Kunst und Lebensgefühl in diesen vier prachtvollen Konvoluten unmittelbar von den Wänden ablesen.
„Double Elephant 1973-74“ | bis 1.11.2014 | Di-Fr 11-18 Uhr, Sa 12-18 Uhr | Galerie Thomas Zander, Schönhauser Str. 8
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