Um das zehnjährige Jubiläum des „Reim in Flammen“ Poetry Slam zu feiern, hat sich das Organisationsteam um „Slam-Master“ Benjamin Weiß etwas ganz besonderes ausgedacht: Sie lassen acht Landesmeister aus verschiedenen Bundesländern gegeneinander antreten. Dass die Poeten auf der Bühne alle auf bemerkenswert hohem Niveau mit der deutschen Sprache umgehen können, ist zu erwarten. Jeder der acht Poetry Slammer bewegt sich fast schon akrobatisch durch eine Manege aus Wörtern, in der alles möglich scheint und nichts verboten ist. Doch auch thematisch wird eine breite Palette an Inhalten geboten. Die Dichter wollen nicht nur durch Sprachgewalt überzeugen - sie haben auch wirklich etwas zu sagen. Bemerkenswert ist außerdem, dass die meisten von ihnen auch ernsthaftere Themen mit sehr viel Humor behandeln können. So zum Beispiel Noah Klaus, der mit seinem „Brief an die westliche Welt“ einen Abgesang auf die Wohlstandsgesellschaft vorträgt. Mit bitterbösem Witz stellt er die Bevölkerung der sogenannten ersten Welt bloß, die sich mit ihrem anstandslosen Super-Kapitalismus selbst zugrunde richtet.
Auch Sulaiman Masomi, NRW-Meister 2013, behandelt politisch-gegenwärtige Themen mit Humor. Mit einem seiner Texte gibt er den besorgten „Das wird man doch mal sagen dürfen“-Bürger, dreht den Spieß aber um: Sorge bereitet ihm nicht die Islamisierung des Abendlandes, sondern der Stumpfsinn der Wutbürger und Verschwörungstheoretiker. Der im Ruhrgebiet allgegenwärtige Sebastian 23 knüpft daran an. Sein Gedicht „Halt’s Maul“ findet (wie der Titel schon vorwegnimmt) sehr klare Worte für Pegida, Hogesa und Co. Die unverschämt-unverblümten Texte kommen bei den rund 500 Zuschauern gut an und sorgen nicht nur für zustimmendes Kopfnicken, sondern auch für ausgelassenes Gelächter. Einzig die Schleswig-Holsteinerin Hille Norden bleibt fern von Comedy. Mit großem schauspielerischem Talent trägt sie einen Monolog in der Rolle einer jungen Prostituierten vor. Das Stück geht unter die Haut: Es geht um die Vermarktung von Schönheit, in einer Welt, in der Körper oft nur noch Ware und Objekt sind.
Am Ende des Abends wählt das Publikum den Sieger des Poetry Slams aus. Den lautesten Applaus gibt es für den jungen Berliner Nick Pötter. Der 22-jährige Linguistik-Student gewinnt mit einem Gedicht, das dem Publikum aus dem Herzen sprechen dürfte. „Die vier Geister“ behandelt die Qual der Entscheidungen aus den vielen Möglichkeiten, die sich einem jungen Menschen bieten. Zuvor konnte Pötter mit einem Text punkten, der den Versuch behandelt, eine romantische Beziehung in Worte zu fassen. Eine ungewohnte Situation für den jungen Poetry Slammer, denn da war er zum ersten Mal…sprachlos.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Eine Ode an Slamjamin
Jubiläums-Ausgabe von „Reim in Flammen“ – Bühne 11/18
Stumpf ist Trumpf?
Auf der Bühne können auch niedrige Intelligenzlevel Spaß machen – Unterhaltungsmusik 11/18
Charmant und schamlos
Patrick Salmen und Quichotte mit der Delayed Night Show – Komikzentrum 10/18
Begleiterscheinungen der Melancholie
Der Kölner Comedy-Einzelgänger Alexander Bach – Bühne 04/18
Fröhliche Apokalypse
Wütender Rap, fröhlicher Krach und viele Neuentdeckungen – Unterhaltungsmusik 01/18
Die Tradition der Rebellion
Büchner-Presiträger Jan Wagner im Literaturhaus – Literatur 11/17
Weit und breit kein Sommerloch
Für Festivals und Clubkonzerte gibt es kein Hitzefrei – Unterhaltungsmusik 08/17
Geschmeidiges Grummeln und Dröhnen
Variationen aus Noise-Rock, Krautrock, Heavy Rock und Hip-Hop – Unterhaltungsmusik 06/17
Kollektivgefühle und quietschendes Publikum
Wenn die Bühne zum Experiment wird: „Kunst gegen Bares“ im Artheater – Bühne 05/17
Der Klang der Welt
Musik aus aller Welt auf den Bühnen Kölns – Unterhaltungsmusik 04/17
Seltsame Zukunftsszenarien
In Düsseldorf, Bonn und Köln toben die Lach- & Schießgesellschaft und Jan Philipp Zymny – Komikzentrum 04/17
Ultra Orgel und Highspeed-Fusion
Musikalische Höchstleistungen mit Schauwert – Unterhaltungsmusik 03/17
Tanzen gegen Rassentrennung
„Hairspray“ am Theater Bonn – Theater am Rhein 11/24
Biografie eines Geistes
„Angriffe auf Anne“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 11/24
Selbsterwählte Höllen
„Posthuman Condition“ am FWT – Theater am Rhein 11/24
„Die Hoffnung muss hart erkämpft werden“
Regisseur Sefa Küskü über „In Liebe“ am Orangerie Theater – Premiere 11/24
Kampf gegen Windmühlen
„Don Quijote“ am Theater Bonn – Prolog 11/24
Die ultimative Freiheit: Tod
„Save the Planet – Kill Yourself“ in der Außenspielstätte der TanzFaktur – Theater am Rhein 10/24
Die Maximen der Angst
Franz Kafkas „Der Bau“ in der Alten Wursterei – Theater am Rhein 10/24
Keine Macht den Drogen
„35 Tonnen“ am Orangerie Theater – Prolog 10/24
Wenn das Leben zur Ware wird
„Hysterikon“ an der Arturo Schauspielschule – Prolog 10/24
Wege in den Untergang
„Arrest“ im NS-Dokumentationszentrum Köln – Theater am Rhein 10/24
Spam, Bots und KI
„Are you human?“ am Theater im Bauturm – Prolog 10/24
Die KI spricht mit
Franz Kafkas „Der Bau“ in der Alten Wursterei in Köln – Prolog 10/24
„Das Ganze ist ein großes Experiment“
Regisseurin Friederike Blum über „24 Hebel für die Welt“ in Bonn und Köln – Premiere 10/24