Donnerstag, 11. Februar: Die Frauen des 21. Jahrhunderts haben es bis an die Schaltstellen der Macht in Politik und Finanzwesen geschafft. Sie tragen Hosenanzüge und akkurat geschnittene Frisuren, sie sitzen an langen Tischen in gläsernen Wolkenkratzern, wo sie nur von Männern umgeben sind. Die beiden britischen Regisseure James Rogan und Harriet Shawcross sind im Auftrag von ARTE, WDR und BBC um den ganzen Globus gereist und haben Frauen getroffen, die es entweder geschafft haben, gehobene Führungspositionen zu erreichen, oder sich erfolgreich gegen die altertümlichen Bräuche einer von Männern dominierten Kultur zur Wehr setzen konnten.
Christine Lagarde ist eine von ihnen. Die französische Politikerin und Rechtsanwältin blickt auf eine beispielhafte Karriere zurück: Sie hat sich bis in den Vorstand einer Kanzlei in Chicago hochgearbeitet, wurde dann Wirtschaftsministerin in Frankreich und ist seit 2011 Direktorin des IWF, wo sie Dominique Strauss-Kahn ablöste, der bezeichnenderweise nach einer Reihe von Sex-Skandalen zurücktreten musste. Wie auch Hillary Clinton gibt Lagarde der internationalen Politik und Wirtschaft ein neues, weibliches Gesicht und eine Stimme, die ihrer Meinung nach vernünftiger ist als die der Männer: „Was wäre, wenn es statt den Lehman Brothers, die Lehman Sisters gewesen wären?“, fragt sie in einer Pressekonferenz.
Der Erfolgsdruck, der auf Frauen in Führungspositionen laste, sei enorm hoch, stellt die chilenische Präsidentin Michelle Bachelet fest. Sie hat es geschafft, fast die Hälfte ihres Kabinetts weiblich zu besetzen; die Hoffnung in sie ist groß. Umso größer ist daher auch die Enttäuschung, wenn politische Versprechungen mal wieder ins Leere laufen. Hinzu kommt die Erwartung, auch die Mutterrolle vollständig auszufüllen, wie die schwedische Außenministerin Margot Wallström berichtet. Mit ihrer „feministischen Außenpolitik“ will sie die Welt für künftige Generationen verändern, auch wenn ihre Kinder es manchmal nicht so recht verstehen wollen, wenn sie tagelang auf Reisen ist. Doch Wallström ist eine Idealistin. Sie unterstreicht das hoffnungsvolle Bild, welches in „The Power of Women“ porträtiert wird – es bleibt aber ein Bild mit vielen Rissen.
Als Wallström sich öffentlich gegen Frauenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien ausspricht, löst sie einen Skandal aus, der dazu führt, dass Schweden seine Handelsbeziehungen mit den Emiraten abbricht. Ein starkes Zeichen der liberalen Schweden, doch den Wirtschaftsvertretern des Landes gefiel dies ganz und gar nicht. So wurde das Handelsembargo nach zwei Wochen wieder aufgehoben. Gegen wirtschaftliche Interessen kann eine feministische Außenpolitik nur verlieren.
Die Dokumentation gibt jedoch nicht nur einen Einblick in die Zentren der Macht, sondern auch in die Situation von Frauen in den Ländern der sogenannten dritten Welt: In Niger schaffte es die damals zwölfjährige Balkissa, sich gegen die Zwangsverheiratung einzusetzen. Und in El Salvador kommen Vergewaltigungsopfer zu Wort, die nach Fehlgeburten zu Haftstrafen verurteilt wurden, weil man annahm, dass sie verbotenerweise abgetrieben hätten.
So ist „The Power of Women“ nicht nur ein Film über den Kampf für Frauenrechte, sondern auch ein Film über Chancenungleichheit in den verschiedenen Teilen der Erde geworden. Wer jedoch denkt, die größte Sorge der feministischen Bewegung in den Ländern des Westens sei die Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt, während sexuelle Gewalt gegen Frauen primär ein Problem der Entwicklungsländer ist, glaubt einem Klischee. Auch Regisseur James Rogan betont im Anschluss an die Filmvorführung, dass sexuelle Gewalt und Benachteiligung ein globales Problem darstellen.
„The Power of Women“ | Di 8.3. 20.15 Uhr auf Arte
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