Das Senftöpfchen-Theater schenkt sich zum 62. Geburtstag einen Live-Stream. Zum Tag der Gründung am 5. März soll das digitale Biest mit der Premiere von Konrad Beikirchers neuem Programm rund um „Kirche, Pest und neue Seuchen“ ins Leben gerufen werden. Der Kabarettist, Autor und Musiker, der in langer Verbindung mit dem Kleinkunstheater steht, stellt sich damit auf die Fortsetzung des aktuellen Lockdowns ein und muss sich nicht mehr darum sorgen, dass ihm das Thema wegläuft. Vielmehr bringt er wie bei seinem Beethoven-Erfolgsprogramm eine kulturhistorische Perspektive zum Tragen, die gerade nach den Erfahrungen der letzten Zeit aufschlussreich sein dürfte.
choices: Herr Beikircher, schlagen Epidemien und Seuchen immer dann zu, wenn das öffentliche Wissen über sie sich wieder dem Nullpunkt annähert?
Konrad Beikircher: Seuchen, weil von ganz oben geschickt, kommen natürlich immer dann, wenn die Päpste, die Kardinäle etc wieder mal aus dem Ruder laufen: Im Mittelalter kam mit den Ablassverkäufen die Pest, heute mit den Missbrauchsskandalen Corona. Ich bin sicher: Solange Woelki das Gutachten in der Schublade hält, wird es kein Ende der Pandemie geben. Und wenn er das Gefälligkeitsgutachten, nämlich das neue, veröffentlichen wird, bekommen wir die vierte Pandemie-Welle. Wer schickt denn endlich mal den Lauterbach zum Woelki, damit der ihn darüber aufklärt? Vielleicht bei einem Herrengedeck…?
Wie bewerten Sie aktuell die berühmte deutsche Disziplin und Sachlichkeit?
In Zeiten wie diesen sind diese beiden selbstzugewiesenen deutschen Eigenschaften gut. Wenn ich mir allerdings die sogenannte Querdenker oder die Deutsche Bahn oder oder angucke, halte ich unser Land eher für eine Bananenrepublik. Aber: für die Pandemie ist es besser so, auch wenn keine Sau mehr wirklich weiß, warum die Läden und die Kneipen eigentlich geschlossen sind. Von wie lange ganz zu schweigen. Das vernichtendste Urteil über die deutschen Grundeigenschaften, hat Hans Moser gefällt, als er (bezogen auf die Nazi-Zeit) ironisch sagte: „Warum soll heut was schlecht sein, nur weil's früher gut war?“
Sind Sie schon geimpft, und wenn ja, was war das für ein Gefühl?
Nein, ich bin noch nicht geimpft, ich bin ja erst 75 und Risikopatient (Typ I Diabetes, zwei Herzinfarkte, Nieren- und Prostata-Krebs, Bluthochdruck, Darm-OPs), das reicht aber nicht. Sollte ich jemals an die Reihe kommen, werde ich mich ganz bestimmt tierisch freuen.
Wenn Sie ein neues kabarettistisches Programm per Livestream vorstellen, führt da jemand Regie, und woher holen Sie sich das Feedback, mit dem Sie sonst rechnen können?
Ich erzähle heiter, wie es so meine Art ist, was ich im Kopf hab und wovon ich überzeugt bin. Deshalb brauche ich keine Regie. Wenn es mir gefällt, wird es auch anderen gefallen.
Was das Spektrum Ihrer Arbeit angeht, was ist Ihnen in diesem Jahr wichtig?
Aus dem ganzen Schlamassel rauszukommen, aus dem Programm „Kirche, Pest und neue Seuchen“ ein Buch machen und vielleicht gelingt es mir, ein Beethoven-Tagebuch zu machen, denn: man weiß so viel über unseren Ludwig, dass man ab seiner Wiener Zeit (1792) fast Tag für Tag schildern könnte, was er gerade so trieb. Wäre auch mal was Hübsches. Am besten wohl als Abreißkalender, oder?!
Konrad Beikircher: Kirche, Pest und neue Seuchen | Live-Stream: Fr 5.3. 20.15 Uhr (streambar bis 7.3.) | Senftöpfchen | Sofa- und Sesselkarten auf der Homepage | senftoepfchen-theater.de | beikircher.de
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