Mittwoch, 8. Februar: Das, was Agnieszka Holland („Der Klang der Stille“) in ihrem neuen Film „In Darkness“ schildert, hat sich in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs tatsächlich zugetragen. Sie stützte sich auf die Erinnerungen einiger Zeitzeugen, die die Vorkommnisse in autobiografischen Büchern verarbeitet haben. Nach der Räumung des Judenghettos der polnischen Stadt Lwow gelang es einigen Juden, durch die Hilfe wohl gesonnener polnischer Mitbürger in der Kanalisation der Stadt über Monate hinweg dem Zugriff der Nationalsozialisten und damit der sicheren Deportation in Konzentrationslager zu entgehen. Holland rückt eine Gruppe dieser im stinkenden und dunklen Untergrund ausharrenden Personen in den Mittelpunkt ihrer filmischen Erzählung.
Für die Historikerin Dr. Cora Hermann, die bei der von der Synagogen-Gemeinde Köln organisierten Sonderveranstaltung im cinenova in Ehrenfeld in den Film einführte, ist das ein ungewöhnlicher Ansatz für einen Film über die Shoah. Hier werden die Juden mal nicht als gesichtslose Masse inszeniert, sondern als Individuen, die auch untereinander nicht vor Rivalitäten und Differenzen gefeit sind. Dennoch sieht Hermann ein Problem in der synchronisierten Fassung, die auch im cinenova zum Einsatz kam: Unterschiede zwischen dem Gossenpolnisch, das der Retter Socha spricht, dem Gemisch aus Jiddisch und Deutsch einiger der in die Kanalisation Geflüchteten oder dem Hochpolnisch des betuchten Herrn Chiger (dargestellt von Herbert Knaup) werden komplett nivelliert und allesamt in Hochdeutsch wiedergegeben. Das führte schließlich auch nach der Projektion zu Rückfragen von Seiten des Publikums. Unter den Zuschauern befand sich auch eine Auschwitz-Überlebende, die 1939 in Lwow gelebt hatte, als dieses noch Lemberg hieß, und einige der dargestellten Situationen aus eigener Erfahrung bestätigen konnte. Dass es die Überlebenden im Film vergleichsweise gut getroffen haben, machte Dr. Cora Hermann beim anschließenden Publikumsgespräch ebenfalls deutlich. Viele andere, „die den Deutschen von der Schippe gesprungen waren, sind von den Russen direkt im Anschluss in Stalins Lager und Gulags gebracht worden.“
Parallelen sahen einige Zuschauer auch zwischen dem Retter hier, Leopold Socha, und dem auch schon zu filmischen Ehren gelangten Oskar Schindler, die beide von „ihren Juden“ sprachen und damit einen Weg fanden, den Stolz über das von ihnen Vollbrachte zum Ausdruck zu bringen.
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