Im Straßenverkehr wird der Mensch sich selbst zum Feind. Als Autofahrer überholt er ohne Sicherheitsabstand Radfahrer, dieselbe Person brettert auf dem Rad unvermittelt an aufschreckenden Fußgängern vorbei, dieselbe Person wettert als Fußgänger gegen die quälende Rotphase der Fußgängerampel, die den Autoverkehr zu bevorzugen scheint. Diese Konflikte werden verstärkt durch ein Wegenetz, das widerstreitende Interessen nicht annähernd ausgleichen kann – von Mobilität über Sicherheit bis Naturschutz. Weder auf der Schiene noch auf der Autobahn geht es pünktlich voran. Das Straßennetz zerschneidet unaufhörlich natürliche Lebensräume ebenso wie Innenstädte. Kaum jemand bezweifelt ernsthaft, dass eine Verkehrswende überfällig ist – bloß, wie die aussehen soll, ist heiß umstritten. Im Monatsthema VERKEHRSWEGE gehen wir diesem Streit nach.
Unsere Leitartikel begeistern sich für eine faszinierende Welt, die sich nur im Fußgängertempo erschließt, beklagen, wie maßgeblich die FDP eine Verkehrswende blockiert und regen an, wie Fahrradfahren attraktiver werden kann.
In unseren Interviews plädiert der Stadtplaner Helge Hillnhütter dafür, dem Fußverkehr endlich Vorrang vor dem Autoverkehr einzuräumen, der Architekt Philipp Oswalt erklärt, wie die Verkehrswende im ländlichen Raum gelingen kann und der Verkehrsexperte Peter Gwiasda diskutiert, wir fahrradfreundlich Deutschland ist.
In Köln erfahren wir bei der Initiative Fuss e.V., warum es Fußgänger in Köln nicht leicht haben, in Bochum beim Bündnis Stadt für Alle, wie es für einen ÖPNV eintritt, der an den Bedürfnissen der Bürger orientiert ist und beim Verein Fahrradstadt Wuppertal, wie er unter anderem mit dem Verleih von Lastenrädern zur nachhaltigen Mobilität beiträgt.
Skurril ist, dass es erst einerpandemiegetriebenen Wirtschaftskrisebedurfte, um der Verkehrswende neue Impulse zu geben: Seit dem Intermezzo des 9-Euro-Tickets bleiben die Stimmen laut, die einen sozial und ökologisch ausgerichteten öffentlichen Verkehr fordern. Endlich geht nun das ÖPNV-„Deutschlandticket“ an den Start, nach monatelangem fiskalpolitischem Geplänkel und bereits anfänglich zum stolzen Preis von 49 Euro – Preiserhöhungen könnten die soziale und ökologische Wirkung weitgehend zunichtemachen; immerhin bliebe die Entzerrung des absurden Tarifgeflechts. Je mehr das neue Ticket genutzt wird, umso mehr dürfte dieser Erfolg zudem durch eine Überlastung von Bahnpersonal und -infrastruktur gefährdet werden. Selbstverständlich braucht es hier aufs dringendste Abhilfe! Doch wie seit etlichen Legislaturperioden leistet sich Deutschland auch mit Volker Wissing (FDP) einen Bundesverkehrsminister, der unverhohlen die Straße bevorzugt, zulasten der Schiene. Solange verantwortliche Köpfe so gestrig handeln, ist eine echte Verkehrswende nicht zu erwarten – gewiss nicht im gebotenen Tempo.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Grünes Licht für Fußverkehr
Diskussion im Haus der Architektur – Spezial 05/23
Mercedes oder per pedes?
Lob des Zufußgehens – Teil 1: Leitartikel
„Warum sollten Fußgänger auf Autos Rücksicht nehmen?“
Stadtplaner Helge Hillnhütter über gute Fußwege – Teil 1: Interview
Für die Rechte der Fußgänger
Kölns Initiative Fuss e.V. – Teil 1: Lokale Initiativen
Vorwärts nimmer, rückwärts immer
Verkehrswende in die Vergangenheit mit der FDP – Teil 2: Leitartikel
„Es ist absurd, zu meinen, das Auto wäre alternativlos“
Architekt Philipp Oswalt über die Verkehrswende im ländlichen Raum – Teil 2: Interview
ÖPNV für alle Menschen
Die Bochumer Initiative Stadt für Alle – Teil 2: Lokale Initiativen
Bike Bike Baby
Freie Fahrt fürs Fahrrad – Teil 3: Leitartikel
„Alle wollen jetzt Radverkehrskonzepte“
Verkehrsexperte Peter Gwiasda über Radfahren in und außerhalb der Stadt – Teil 3: Interview
Angstfreie Radwege
Aus der Arbeit von Fahrradstadt Wuppertal e.V. – Teil 3: Lokale Initiativen
Das Null-Euro-Ticket
Wie kostenloser Nahverkehr funktioniert – Europa-Vorbild Luxemburg
Zu Fuß zur Gerechtigkeit
Von Bahnen, die nicht fahren – Glosse
Gegen welche Regel?
Intro – Flucht und Segen
Weihnachtswarnung
Intro – Erinnerte Zukunft
Ran an die Regeln
Intro – Verspielt
Wie gewohnt
Intro – Europa
Ausgefischt
Intro – Meeresruh
Machtspiele
Intro – Gewaltrausch
Natürlich wählen
Intro – Unsere Tiere
Wahlverwandt
Intro – Beziehungsweisen
Gefahrenzulage
Intro – Arbeit oder Leben?
Ablenkungsversuch
Intro – Hab’ keine Angst
Gelassen ernst
Intro – Unheimlich schön
Zeit des Verlangens
Intro – Ganz schön empfindlich
Politik mit Vorsatz
Intro – Nach der Demokratie