Die Phase vom 1. Juni bis zum 31. August war für Deutschland ein verkehrspolitisches Experiment. Drei Monate lang konnten Bürger:innen zu einem Monatspreis von 9 Euro den öffentlichen Nahverkehr nutzen – bundesweit. Überfüllte Bahnen, Punks auf Sylt, verzweifelte Fahrradfahrer:innen, deren Räder nicht mehr in die Züge passten, aber auch die Erkenntnis, dass Bahnfahren doch auch eine Option der Fortbewegung ist, zählten zu den Folgen. Vermehrt stellen sich Menschen zudem die Frage: Warum ist der ÖPNV nicht gänzlich kostenlos? Wäre ein Nahverkehr, der ohne eigens zu lösende Tickets auskommt nicht ein willkommenes Instrument, um die Energiewende zu befördern, energiepolitisch unabhängiger zu werden und Mobilität für alle erschwinglich zu machen?
Mobilitätslabor
Luxemburg ist diesen Schritt bereits gegangen: Das Großherzogtum versteht sich als „Mobilitätslabor“, wie es der Verkehrsminister François Bausch bezeichnet. Das Ausgangsproblem waren die Autos, von denen es im Verhältnis zu den Einwohner:innen mehr gab als in anderen europäischen Ländern. Jahrelang war das Verkehrsnetz nicht ausgebaut worden, trotz der wachsenden Bevölkerung. Jetzt steht der politische Kurs unter dem Motto der Verkehrswende: Der Nahverkehr wird – wie als eine Entschuldigung für die vergangenen Versäumnisse – durch Steuern finanziert. Eine große Besonderheit ist, dass das Ticket bedingt durch den hohen Anteil an ausländischen Arbeiter:innen in Luxemburg auch von internationalen Pendler:innen und Tourist:innen genutzt werden kann. Hervorzuheben ist zudem, dass die Neuerung mit einem Ausbau der Infrastruktur einhergeht und nicht nur als Versöhnungsangebot für Dauerbaustellen fungiert.
Vorbild Null-Euro-Ticket
Das Potenzial des kostenlosen Nahverkehrs wurde auch international erkannt. Malta bietet seit Oktober 2022 Einwohner:innen einen Großteil der öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos an, ähnlich Spanien seit September Fahrten mit dem Zugnetz Renfe. Und Deutschland? Zwar ist das ab Mai gültige Deutschlandticket mit einem Einführungspreis von 49 Euro ein Fortschritt, doch zum Nulltarif kann man bislang nur in einzelnen Kommunen pendeln, etwa in Monheim am Rhein und im benachbarten Langenfeld. Hinzu kommen Städte, in denen der Nahverkehr an einzelnen Tagen gratis ist, etwa in Tübingen und Ulm. Doch ein bundesweites Null-Euro-Ticket ist dereit nicht absehbar –zumal sich schon anlässlich des 9-Euro-Tickets der Personalmangel und der versäumte Ausbau des Schienennetzes bemerkbar gemacht hatten.
Es bleibt abzuwarten, wie sich das Experiment des Mobilitätslabors in Deutschland auswirkt. Die Stimmen für einen kostenlosen Nahverkehr dürften sich auch hierzulande weiter Gehör verschaffen. Schließlich haben mit dem 9-Euro-Ticket Millionen Menschen erfahren, wie es sich anfühlt, wenn Mobilität (fast) keine Frage mehr des persönlichen Geldbeutels ist.
VERKEHRSWEGE - Aktiv im Thema
nrw.vcd.org/der-vcd-in-nrw/koeln/arbeitskreise/wanderbaumallee | Der hiesige Landesverband des Verkehrsclub Deutschland widmet sich den Belangen von Fußgängern beispielsweise mit der Kölner Wanderbaumallee.
holidu.de/magazine/fussgaengerfreundlichsten-staedte-deutschlands | Das Reiseportal holidu hat gefragt, welche deutschen Städte am fußgängerfreundlichsten sind.
adfc.de/ | Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club gilt als „größte Interessenvertretung für Radfahrer*innen weltweit“ und widmet sich auch den Belangen von Fußgängern.
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