Tanzkonkret, das ist ein Festival, bei dem sich die Tanzkunst in ihrer ganzen Breite präsentiert. Nachdem man eine Woche lang in den Schaufenstern der Stadt getanzt hatte, wurde in der überfüllten Orangerie des Volksgartens mit großem Trubel die Eröffnung gefeiert. Einen Tag später dann der Auftritt von zwei renommierten Truppen der Kölner Szene. Mit „Double-Bill“, einem Doppelprogramm von Ilona Pászthy und dem Michael Douglas Kollektiv, bot man intime Blicke in die Arbeit der Tänzer. Ilona Pászthy zeigte einen kurzen Ausschnitt ihrer nächsten Produktion „I see U No. 3“. Bei Weißwein und Salzstangen lieferten sich ihre jungen Tänzer ein kurzes, heftiges Pas de deux auf dem Kellerboden der Orangerie. Zur körpernahen Präsenz der Tänzer ertönt der Monolog eines bizarren Sammlers, der Hautschuppen katalogisiert.
Nach dem experimentellen Appetithappen ein Blick in die Werkstatt der Tänzer des Michael Douglas Kolletivs. Konkreter kann das Metier nicht entfaltet werden, als in den Prozessen der Improvisation, die hier freimütig dargeboten werden. Das Ensemble besitzt eine tänzerische Klasse, die gar nicht ausgereizt werden muss, um ihr Potential spürbar werden zu lassen. Mit Katie Duck und Alfredo Genovesi hatte man sich zwei Gäste eingeladen, konstruierte eine Laborsituation, zu der ein amorpher Klangteppich ausgelegt wurde und begab sich auf sie Suche nach Beziehung zueinander.
Die Bereitschaft, der Logik der Bewegung zu folgen, führt mitunter zu überraschenden Momenten, in denen die Bewegung zur Geste gerinnt. Man kann zusehen, wie Bewegung Bedeutung und damit Intensität erhält. Freilich liefert das Kollektiv auch den Leerlauf der Improvisation, wenn der Funke zwischen den Beteiligten nicht überspringt. Improvisation setzt voraus, dass man etwas zum improvisieren hat, wenn das fehlt, vermag sich Inspiration nur schwer zu kristallisieren. Das Kollektiv zeigt dieses Problem wahrhaftig, demonstriert seinem Publikum aber auch die Notwendigkeit dramaturgischer Zubereitung. Ein geteiltes Vergnügen für die Besucher. Die können sich noch auf ein dicht geknüpftes Programm freuen, das mit Mara Tsironi und ihrer Uraufführung „Ach Dietrich... eine weiße Nacht“ am 25. September (17 Uhr) fortgesetzt wird, bevor dann noch eine komplette Tanzstaffel im Oktober und November folgt.
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