„Das kleine Mädchen da, dem würde ich das auch nicht sagen, dass es nicht schön ist, dass es nicht gut genug ist. Warum sage ich das jetzt mir?“, fragt Karla-Lou, während die Kamera über ein Kinderfoto an der Wand streicht. Im Rahmen der Filmreihe „Body Positivity“, die von Sofia Ose koordiniert wurde, spricht Karla-Lou gemeinsam mit anderen jungen Menschen über schädliche Körperbilder und ihr neu gefundenes Selbstbewusstsein. Body Positivity beschreibt die Idee, sich von oberflächlichen Idealen zu lösen und den Körper in seiner Natürlichkeit wertzuschätzen. „Letztendlich geht es um die Akzeptanz des Körpers“, erklärt Andreas von Hören, Geschäftsleiter des Medienprojekts Wuppertal. Das Medienprojekt fördert Filmarbeiten junger Menschen, indem es die technischen Mittel dafür bereitstellt. Teil der 90-minütigen Filmreihe sind neben dokumentarischen Gesprächen auch Kurzfilme, ein Animationsfilm sowie ein Expertinneninterview mit Iris Nepomuck, die in ihrem autobiographischen Roman „Kurvendiskussion“ davon erzählt, wie Essstörungen ihre Kindheit prägten.
Rasierte Beine rasieren
„Die Idee entstand aus der Wichtigkeit von Äußerlichkeiten“, erinnert sich von Hören. „Wir haben eine Norm und ein Ideal, was man erreichen möchte und was man erreichen muss“, berichtet Karla-Lou. „Dadurch, dass das gesellschaftlich so in Werbungen, in Filmen, in Büchern und sonstigen Medien ausgestrahlt oder repräsentiert wird, entsteht gesellschaftlicher Druck.“ Karla-Lou kritisiert auch die Beauty-Industrie, die sich am Drang nach Anerkennung und Normschönheit bereichere. Hierzu zählten neben Make-Up-Produkten auch „Hygieneartikel“ wie Rasierer und Rasiercreme für Frauen. Denn anders als bei Männern, ist die Körperbehaarung bei Frauen – insbesondere an den Beinen – vielerorts verpönt. „Da werden rasierte Beine rasiert“, heißt es in Bezug auf Werbeclips ironisch in einem Beitrag.
Eine wesentliche Rolle für die Body Positivity-Bewegung spielen Soziale Medien. Immer wieder verweisen die jungen Menschen in den Filmen auf Minderwertigkeitskomplexe, die von körperbezogenen und idealisierten Inhalten auf Instagram und Co. ausgelöst wurden – aber auch auf die Bemühungen von Influencern, diesem Trend etwas entgegenzusetzen. Auch Andreas von Hören erkennt in den Plattformen Licht und Schatten: „Über Social Media kommentiert man sich ständig gegenseitig, auch auf der Basis von Äußerlichkeiten. Man unterstützt sich aber auch und es gibt den Vorteil, dass sich marginalisierte Gruppen zusammenfinden können.“ Body Positivity als Trend auf Instagram bietet Nutzer:innen zudem ein breiteres Identifikationspotenzial als die Models der Fashion Weeks und setzt Klischees ein vielfältigeres Selbstbild entgegen. „Das geht häufig verloren“, sagt Elay Neal Moses, der eine Fotoserie über Male Body Positivity gemacht hat, „dieses gesunde Verhältnis und diese Dankbarkeit gegenüber unserem Körper.“
Unbarmherziger Schulhof
Die Resonanz des Projekts ist äußerst positiv, wie von Hören berichtet. Insbesondere in Schulen werden die Filme eingesetzt. Auf dem Schulhof seien Körperbilder sowieso längst Thema: „Die Schulzeit ist die Phase, in der erwachsene Körper entstehen. Die Reaktionen auf diese Entwicklung können sehr unbarmherzig sein“, erklärt von Hören. Vor allem der Schutz vulnerabler Gruppen sei deshalb enorm wichtig. „Viele Menschen wollen achtsamer werden“, stellt von Hören fest. Body Postivity lädt nicht nur zur Reflexion gesellschaftlicher Normen ein, sondern auch zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbstbild – mit dem Körper, der einen durch das Leben trägt.
UNHEIMLICH SCHÖN - Aktiv im Thema
aes.ch/sportsucht | Die Arbeitsgemeinschaft Ess-Störungen (AES) klärt über Sportsucht auf.
sporthilfe.de/socialmedia/studienergebnisse | Die Deutsche Sporthilfe befragte Leistungssportler, welche Rolle soziale Medien für ihren Sport spielen.
sportschau.de/mehr-sport/bodybuilding-social-media-100.html | Kritisches Video über den Einfluss von Bodybuilding-Influencern auf junge Menschen.
Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@choices.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Gelassen ernst
Intro – Unheimlich schön
11 Millionen Eitelkeiten
Teil 1: Leitartikel – Fitnessstudios: zwischen Gesundheitstempeln, Muckibuden, Selbstverliebtheiten und Selbstgeißelung?
„Sport wird instrumentalisiert, um positive Emotionen zu empfinden“
Teil 1: Interview – Sportpsychologin Jana Strahler über Sportsucht
Leistung ist nicht alles
Teil 1: Lokale Initiativen – Initiative an der Deutschen Sporthochschule fördert psychische Gesundheit
Im Namen der Schönheit
Teil 2: Leitartikel – Über körperliche Wunschbilder und fragwürdige Operationen
„Ausstrahlung ist mehr als die äußere Erscheinung“
Teil 2: Interview – Psychoanalytikerin Ada Borkenhagen über Schönheitsoperationen
Damit eine grausame Tradition endet
Teil 2: Lokale Initiativen – Düsseldorf: Verein stop mutilation gegen weibliche Genitalbeschneidung
Ist Schönheit egal?
Teil 3: Leitartikel – Zwischen Body Positivity und Body Neutrality
„Schönheit ist ein zutiefst politisches Thema“
Teil 3: Interview – Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Lechner über Schönheitsdruck
Ungefilterte Schönheit
Regeln für Influencer – Europa-Vorbild: Frankreich
Märchenspiegel 2.0
Vom Streben nach konformer Schönheit in feministischen Zeiten – Glosse
Jenseits der Frauenrolle
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Spieldesignerin und Label-Gründerin Mel Taylor aus Köln
Immer in Bewegung
Teil 2: Lokale Initiativen – Sportangebote für Jugendliche im Open Space in Bochum
Zusammen und gegeneinander
Teil 3: Lokale Initiativen – Spieletreffs in Wuppertal
Zu Gast in Europas Hauptstadt
Teil 1: Lokale Initiativen – Die europäische Idee in Studium und Forschung an der Kölner Universität
Europa verstehen
Teil 2: Lokale Initiativen – Initiative Ruhrpott für Europa spricht mit Jugendlichen über Politik
Verbunden über Grenzen
Teil 3: Lokale Initiativen – Wuppertal und seine europäischen Partnerstädte
Was keiner haben will
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Kölner Unternehmen Plastic Fischer entsorgt Plastik aus Flüssen
Korallensterben hautnah
Teil 2: Lokale Initiativen – Meeresschutz im Tierpark und Fossilium Bochum
Wasser für Generationen
Teil 3: Lokale Initiativen – Der Wupperverband vernetzt Maßnahmen und Akteure für den Hochwasserschutz
Hilfe nach dem Schock
Teil 1: Lokale Initiativen – Opferschutz bei der Kölner Polizei
Orientierung im Hilfesystem
Teil 2: Lokale Initiativen – Die Opferschutzorganisation Weisser Ring in Bochum
Häusliche Gewalt ist nicht privat
Teil 3: Lokale Initiativen – Frauen helfen Frauen e.V. und das Wuppertaler Frauenhaus
Forschung muss nicht quälen
Teil 1: Lokale Initiativen – Ärzte gegen Tierversuche e.V. argumentiert wissenschaftlich gegen Tierversuche
Kaum entdeckt, schon gefährdet
Teil 2: Lokale Initiativen – Artenschutz und Umweltbildung in der Zoom Erlebniswelt Gelsenkirchen