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Fünf vor Zwölf

01. Juli 2009

Das schleichende Ende städtischer Tanz-Compagnien - Tanz in NRW 07/09

Noch steht es nicht im Lexikon der populären Irrtümer: das Tanzland NRW. Doch es hat beste Aussichten, dort aufgenommen zu werden. „Tanzland“, so erklärte Kulturstaatssekretär Grosse-Brockhoff kürzlich, solle zum kulturellen „Label“ von NRW werden. Und tatsächlich suggeriert „Tanzland“ eine besonders herausgehobene Stellung des Tanzes in NRW. Leider ein populärer Irrtum.

Vergessen Sie Pina Bausch oder das Düsseldorfer Ballett. Fakt ist, dass in keinem anderen Bundesland seit den 1990er Jahren so viele städtische Tanz- und Ballettcompagnien aufgelöst worden sind wie in Nordrhein-Westfalen. Zählt man die freien Ensembles noch dazu, die das Handtuch schmeißen mussten, ist NRW sogar Bundessieger in einer unglaublichen Kahlschlagpolitik. Eingestellt. Aufgelöst. Kleingeschrumpft.

In Bochum hat dieser Niedergang des Tanzes begonnen. 1995 wurde Reinhild Hoffmann, neben Pina Bausch eine der großen Folkwang-Choreografinnen, mit ihrem Tanztheater aus Geldmangel vor die Tür gesetzt. In Aachen setzte sich die Sparwelle fort, das Tanzensemble: eingespart. In Köln ging es weiter. Das Tanzforum Köln: aus der städtischen Finanzierung gedrängt. Die erfolgreiche Compagnie wurde zur Gastspieltruppe in der eigenen Stadt degradiert. Ein schleichender Tod, der auch in Köln zum Ende führte. Andere Städte sahen ihr Heil in Fusionen: Duisburg – Düsseldorf. Krefeld – Mönchengladbach. In Münster stand das Tanztheater von Daniel Goldin lange auf der Kippe. Und in Hagen steht die erfolgreiche Arbeit von Ricardo Fernando und dem Ballett Hagen vor dem Aus, wenn die „Zukunftskommission“ den Sparplan nicht ändert. In Bonn wurde die Tanzsparte 2008 endgültig aufgelöst. Fusionsgespräche mit Köln sind gescheitert. Ebenso wie die Fusionsgespräche zur Schaffung einer Monster-Compagnie namens „Rheinschienen-Ballett“, die von Aachen bis Duisburg auf allen Hochzeiten tanzen sollte. Die unglaubliche Kopfgeburt eines kulturpolitischen Gernegroß‘, von der sich die Kommunen nach und nach distanzierten. Auf qualifizierte Beiträge des Landes NRW zur strukturellen Tanz-Förderung wartet man seitdem vergeblich. Es ist fünf vor zwölf. Nur das Land kann das stille Tanzsterben verhindern, müsste dazu endlich seiner Lenkungsfunktion gerecht werden. Stattdessen verteilt das Tanzkonzept 2009 weiter Gelder nach dem Gießkannen-Prinzip.

Parallel zu diesem Niedergang werden Festivals, Tanztage und Highlight-Serien aus dem Boden gestampft. Die Tanzbühne wird zu einer Stagione-Bühne: Variabel und leicht anpassbar kaschiert sie das tänzerische Vakuum der Städte. Den Bürgern wird die kulturelle Identifizierung mit ihrer Stadt entzogen. Solange Theaterintendanten nur aus den Sparten Schauspiel und Musiktheater kommen, wird der Tanz benachteiligt werden. Und da es Sparzwänge gibt, seit Kultur öffentlich subventioniert wird, wird die nächste Sparwelle nicht lange auf sich warten lassen.

Klaus Keil

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