Nam June Paik gilt als „Vater der Videokunst“, brachte den Fernseher ins Museum und prophezeite das Internet. Amanda Kims Dokumentation „Nam June Paik: Moon Is The Oldest TV“ (Filmhaus) verwebt Archivmaterial, Gespräche mit Weggefährten wie John Cage und Mary Bauermeister und Ausschnitte aus Paiks Performance- und Videoarbeiten zu einer 109-minütigen Hommage an den koreanischen Künstler. Die chronologische Erzählweise erleichtert den Zugang, ist für einen Grenzsprenger wie Paik aber fast zu konventionell. Auch inhaltlich bleibt der Film auf vertrautem Terrain; Dimensionen wie der prägende Einfluss seiner Frau Shigeko Kubota rücken bei den zahlreichen Lobpreisungen in den Hintergrund. Dennoch: Ein sehenswertes Portrait eines radikalen Geistes – das die Neugier weckt zu erfahren, wie Paik wohl die heutige digitale Welt kommentieren würde.
Die US-amerikanische Psychologin und emeritierte Professorin Elizabeth Loftus widmet sich in ihrer Arbeit dem menschlichen Gedächtnis. Sie interessiert sich dafür, inwiefern Erinnerungen von der Realität abweichen können. Untersucht hat sie auch, inwieweit man uns gar suggestiv falsche Erinnerungen einpflanzen kann. Aufgrund ihrer Sachkenntnis und Forschung ist sie seit Mitte der 1970er regelmäßig beratend bei Gerichtsprozessen tätig und hilft, Zeugenaussagen einzuordnen. Dadurch gerät sie regelmäßig in die Kritik. In Hendrik Löbberts Dokumentarfilm „Memory Wars – Elizabeth Loftus und die Macht der Erinnerung“ (Odeon) ordnet Loftus die Materie beispielhaft ein und veranschaulicht das Für und Wider von Erinnerungen vor Gericht in den letzten 50 Jahren – bis hin zum Fall Harvey Weinstein. Ein anregender Diskurs, nicht nur für True Crime-Fans.
Karsten (Christoph Bertram) sitzt in seiner kleinen verranzten Kölner Wohnung am Mischpult und komponiert Musik. Am nächsten Tag begegnet er dem Vermieter und landet über Nacht auf der Straße. Für den Übergang bezieht er einen Van, in dem er sich einrichtet und schwarz an Großbaustelle und Sportplatz campt. Schon bald laufen ihm zwei junge Frauen (Fee Zeipfennig, Luana Vellis) auf Wohnungssuche über den Weg. Die Schicksalsgefährt:innen verbringen eine Weile gemeinsam in obdachloser Dreisamkeit. Gerahmt durch schwebende Standbilder von Stadt und Häuserzeile, kreiert Florian Schmitz („Arme Ritter“) in „Raumteiler“ (Filmhaus) sympathische Teilimprovisationen aus dem Alltag seiner Randfiguren, die unbedarft, unverbindlich und unangepasst Gegenentwürfe bilden. Seine Helden bleiben auf der Strecke, nur verschwimmt dabei das Bild von Gewinnern und Verlierern. Ein sympathischer, authentischer und oft auch humorvoller Seitenhieb auf den Standard.
Regisseur und Drehbuchautor Florian Schmitz ist am Donnerstag, 11.9. um 20 Uhr zu Gast im Filmhaus.
Außerdem neu in den Kinos: die bildprächtige Doku „Gaucho Gaucho“ (Filmpalette) von Michael Dweck und Gregory Kershaw, die (un)romantische Komödie „Beule – Zerlegt die Welt“ (Cinedom, UCI) von Janek Rieke, das biografische Drama „Die Gesandte des Papstes“ (Residenz) von Alejandro Monteverde, die Krimikomödie „Honey Don’t“ (Cinedom, Cineplex, UCI) von Ethan Coen, die überwiegend gelungene Stepehen-King-Adaption „The Long Walk – Todesmarsch“ (Cinedom, Cineplex, UCI) von Francis Lawrence, der B-Horror „Dangerous Animals“ (Cinedom, UCI) von Sean Byrne und die Buchverfilmung „Superkräfte mit Köpfchen“ (Cinedom, UCI) von Dylan Haegens.
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