Willenbrock
Deutschland 2004, Laufzeit: 108 Min., FSK 12
Regie: Andreas Dresen
Darsteller: Axel Prahl, Inka Friedrich, Anne Ratte-Polle, Dagmar Manzel, Christian Grashof, Andrzej Krzysztof Szopa, Tilo Prückner, Wladimir Tarasjanz, Margit Bendokat, Michael Gerber, Ursula Werner, Hans Kremer
Im TV O.K.
Kinokeule (541), 24.12.2008
Ein leicht zielloser Film, der nicht weiß, was er eigentlich will. Leider gibt es hier einige Regie Schnitzer, die mir den Film ebenfalls etwas vermiest haben (die alberne Parfumszene am Flohmarkt, die plötzlichen Gummistiefel etc.). Axel Prahl gefällt mir hier gut, auch wenn man ihm den Vorstadtcasanova nur schwer abnehmen kann. Spannung kommt selten auf, da die geschilderten Probleme sehr konstruiert sind. Dafür werden aber mehrmals die tollen "Talk Talk" mit "Colour Of Spring" gespielt.
Dresens Angst
mr. kurtzman (168), 03.06.2005
Kann mich nur der guten Kritik anschliessen. Merkwürdig, dass in dem choices Kritikerspiegel keiner der Damen und Herren diesen Film erwähnte. Dresens neuer Film überraschte diesmal vom Thema. Um es überspitzt auszudrücken, manche Szenen wirkten wie Werbefilme gegen EU-Osterweiterung oder für Hardcore-Innenpolitik. Dresen dieses vorzuwerfen wäre aberlustig. Die Ängste der Leute möchte ich auch nicht kleinreden. Fakt ist eben, dass die Geschichte auch das Sicherheitsgefühl der Bürger in Frage stellt. Amerikanische Verhältnisse haben wir zum Glück aber noch lange nicht. Wegen diesem ?noch? möchte Dresen wohl warnen. Aber wie immer unterhält er uns im gesamten Film durch die üblich menschlichen Dummheiten, die hauptsächlich Mann und Frau im Alltag vollbringen.
Wer traut schon einem Gebrauchtwagenhändler?
juggernaut (162), 26.03.2005
Okay, ich bin voreingenommen. Seit ?Halbe Treppe? und der Amtseinführung des Münsteraner ?Tatort?-Duos gehört Axel Prahl zu meinen Lieblingsschauspielern; sein ?Halbe Treppe?-Regisseur Andreas Dresen, der auch den ebenso unterhaltsamen wie aufschlussreichen ?Herr Wichmann von der CDU? drehte, zählt m.E. zu den besten seines Fachs hierzulande. Und ?Willenbrock? hält dem gestiegenen Erwartungsdruck stand: Gut beobachtet, mit einem Gespür für die kleinen Details, Blicke und Gesten, über die man Figuren und ihr Innerstes kenntlich machen kann. Tiefgreifende Verunsicherung und der Verlust der Kontrolle über das eigene Leben werden hier exemplarisch anhand der Geschichte des Gebrauchtwagenhändlers Willenbrock durchdekliniert. Ein typischer Mitschwimmer im großen Strom, der nie seinen persönlichen Vorteil aus den Augen verliert, aber eben kein völlig skrupelloser Drecksack ist, sondern auch alltägliche Ängste, Nöte, Sorgen und menschliche Unzulänglichkeiten verkörpert. Keine Identifikationsfigur, aber auch kein totaler Unsympath. Dem folgerichtig am Schluss, als er (fast) alles verloren zu haben scheint, die Chance zum Weitermachen offengelassen wird.
In der ersten Stunde des Films dominieren die komödiantischen Szenen, deren Potenzial von Regie und Akteuren auch voll ausgespielt wird (z.B. Willenbrocks Mehrfachverwendung von amourösen Geschenken, der Bettenkauf, bei dem Willenbrock und Ehefrau auf seine Geliebte samt Ehemann treffen, die Flucht nach dem Einbruch im Landhaus, die das Ehepaar Willenbrock in eine Gesellschaft führt, wo sie in diesem Moment nun überhaupt nicht hineinpassen). Das Publikum dankt?s mit etlichen Lachern. Mit Einbruch und Überfall kippt die Tonlage dann allerdings stärker ins Ernsthafte, Tragikomische, und gegen Ende fasert ?Willenbrock?, analog zum Leben des Protagonisten, etwas aus. Das kann aber den guten Gesamteindruck nicht wirklich trüben, zumal ?Willenbrock? tatsächlich wie ein richtiger Kinofilm aussieht ? obwohl (oder gerade weil) hier gleich vier Öffentlich-Rechtliche mitproduziert haben.
Angst in Magdeburg
Colonia (683), 25.03.2005
Andreas Dresen ist mir mittlerweile ein Garant für bestes deutsches Kino. Nach "Halbe Treppe", "Herr Wichmann" und "Nachtgestalten" war ich natürlich gespannt auf "Willenbrock" - und wurde nicht enttäuscht.
Ohne sich selbst auch nur ansatzweise zu kopieren hat Dresen den Roman von Christoph Hein zum Film gemacht. Keine Improvisation, keine Digikamera (wie bei "Halbe Treppe"). Dresen setzt dieses Mal auf große Bilder im Cinemascope-Format, auf Farben, auf Kompositionen und exakt berechnete Bildfolgen. Der Film wechselt von den Zentralperspektiven, die Willenbrocks sorgenfreies Leben und den sorglosen - wenn auch nicht uncharmanten - Umgang mit den Mitmenschen mit heiterer Rasanz zeigen, in mit Handkamera aufgenommene Bilder der zunehmenden Verängstigung.
Der aus der Bahn geworfene Gebrauchtwagenhändler wird genial von Axel Prahl verkörpert. In der vierten Zusammenarbeit mit Dresen läuft er in der eher untypischen Besetzung als Frauenheld zur Hochform auf.
Und obwohl Dresen wieder im Osten der deutschen Republik gedreht hat, da, wo er "sich auskennt und beheimatet ist", wie er sagt, ist es weder ein typischer Nachwende- noch Neue-Bundesländer-Film. "Willenbrock" ist allgemeingültig wie es allgemeingültiger schon gar nicht mehr geht. Dabei kommt dem Film sicher zugute, dass Dresen die politische Dimension aus Heins Roman (Stasi-Verstrickung) weggelassen und den Film zehn Jahre später als den Roman angesetzt hat.
Meine Lieblingsfigur im Film ist übrigens Frau Friedrich. Schaut euch "Willenbrock" an und ihr wisst was ich meine!
www.dieregina.de
P.S.: Cineasten sind toll. Bei der Zusammenkunft mit Axel Prahl und Andreas Dresen neulich im Kölner OFF Broadway entspannen sich ausnehmend interessante Diskussionen.
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