The Grandmaster
Hongkong, China, Frankreich 2012, Laufzeit: 123 Min., FSK 12
Regie: Wong Kar-Wai
Darsteller: Tony Leung Chiu Wai, Zhang Ziyi, Chang Chen
>> www.the-grandmaster.de/
Episches Historiendrama
Martial Arthouse
„The Grandmaster“ von Wong Kar-wai
Wer mit Wong Kar-wais Werk („In the Mood for Love“) vertraut ist, wird darauf gefasst sein, keine gewöhnliche Geschichtsstunde im Kino vorzufinden, sondern eine poetische Nostalgie, eingefasst in kraftvolle Bilder, die eher auf ihre affektive Dimension vertrauen, als dass sie versuchen wollen, eine lineare Chronik von Ereignissen zu erzählen.
So setzt er zwar an einigen Stellen des Films historische Eckpunkte, die dem Zuschauer helfen, sich grob zu verorten, doch die Zeit gerät schon bald aus den Fugen, wenn Wong Kar-wai sie im Zuge einer der vielen Slow-Motion-Aufnahmen anhält.
Man schreibt das Jahr 1936 im südchinesischen Foshan, wo der Wing Chun-Meister Ip Man (Kung Fu ist die populäre westliche Bezeichnung dieser Kampfkunst) mit Frau und Kindern lebt. Es ist eine Phase des Umbruchs zwischen alten Traditionen und dem stetigen Einbruch der Moderne, Ip Man, der von dem wunderbaren Tony Leung verkörpert wird, soll aufgrund seines großen Talents die Nachfolge von Gong Baosen antreten, dem Anführer der nordchinesischen Kampfkunst, was Aufsehen und auch Missgunst erregt, vor allem von dessen Tochter Gong Er (Zhang Ziyi), die selbst eine Kämpferin ist und seit ihrer Kindheit im Wing Chung unterwiesen wurde. Die Begegnung mit ihr wird für Ip Man in vielerlei Hinsicht zum Wendepunkt seines Lebens. Zum einen, weil er das erste Mal in einem Zweikampf unterliegt, und zum anderen, weil er in ihr eine Seelenverwandte findet, die er nicht vergessen kann, und die seine Ehe farblos erscheinen lässt. Der Wechsel in den Norden könnte alles verändern, doch ein traumatisches Ereignis schiebt sich zwischen ihn und die aufkommenden Gefühle: Die japanische Invasion verwüstet aufs Grausamste die kulturellen Zusammenhänge des Landes und reißt eine tiefe Wunde ins kollektive Gedächtnis, die Wong Kar-wai mit seinem subjektiven Zugang zur Erinnerung zum Ausdruck bringen will.
Selten kann man hier Räume in ihrer Gänze überblicken, die Kamera bleibt nah an den Gesichtern der melancholischen Protagonisten, die davon zeugen, wie eine Jahrhunderte alte Ära zu Ende geht, gespiegelt in den beiden Liebenden, die auseinandergerissen wurden und um die Zukunft trauern, die ihnen genommen wurde. Und so richtet Wong Kar-wai den Blick immer tiefer und sehnsuchtsvoller auf die Vergangenheit, die durch ihre materielle Dimension wieder ins Leben gerufen wird: Die Kamera gleitet über die kunstvoll gestickten Stoffe, die intimen Innenräume der Kämpferkollektive, voller undurchschaubarer Glasperlenvorhänge und Papierwände sowie die angespannten Muskeln ihrer Körper im Kampf, die sich in Zeitlupe zu einem poetischen Tanz anordnen. Zwar gelingt es ihm nicht ganz, die Intensität von Meilensteinen wie „Chungking Express“ oder „2046“ zu erreichen, was vielleicht auch dem Fehlen des langjährigen, genialen Kameramanns Christopher Doyle geschuldet ist – dennoch bleibt „The Grandmaster“ ein atemberaubender Genremix mit eindrucksvoller Bildkomposition.
(Silvia Bahl)
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Sternenkriege und Weißer Terror
Volles Sommerkinoprogramm – Vorspann 06/24
Ungewöhnliches Liebesdrama
„Alle die du bist“ im Odeon – Foyer 05/24
Doppelter Einsatz für „Afrika“
Spendenaufruf des Afrika Film Festivals – Festival 05/24