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Sorry, Baby

Sorry, Baby
USA 2025, Laufzeit: 104 Min., FSK 12
Regie: Eva Victor
Darsteller: Eva Victor, Naomi Ackie, Lucas Hedges
>> dcmstories.com/movie/sorry-baby/

Drama mit lakonischem Humor

Eine filmische Umarmung
„Sorry, Baby“ von Eva Victor

Ein typisch amerikanisches Haus, mit Veranda und Schindeln, in einer Universitätsstadt im Nordosten der USA: Wir beobachten aus einer totalen Kameraeinstellung vom anderen Straßenrand aus, wie Agnes (Eva Victor) von ihrem Professor (Louis Cancelmi) in das Haus gelassen wird. Hinter ihr schließt sich die Tür, doch statt der jungen Literaturwissenschaftlerin in das Haus zu folgen, verharrt die Kamera, zeigt nach wie vor nur die Fassade. Passanten laufen vorbei, es beginnt zu dämmern, Lichter gehen an. Erst, als es komplett dunkel ist, öffnet sich die Tür und Agnes tritt wieder nach draußen. Auf den Eingangsstufen schlüpft sie in ihre Schuhe. Spätestens, als wir sehen, wie sie mit offenen Schnürsenkeln davonschlurft, erhärtet sich das dumpfe Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Dass es einen Grund gibt, warum Regisseurin Eva Victor (zugleich in der Hauptrolle) entscheidet, das Geschehen im Haus nicht zu zeigen.

Stattdessen erfahren wir später davon, als Agnes zuhause in der Badewanne sitzt und ihrer besten Freundin und Mitbewohnerin Lydie (Naomi Ackie) mit stockender Stimme und leerem Blick erzählt, was ihr im Haus ihres Professors widerfahren ist. Dass er seine Machtposition ausgenutzt hat, um sie zum Geschlechtsverkehr zu drängen.

Victors Entscheidung, den Übergriff nicht zu zeigen, ist bewusst gewählt – und wegweisend dafür, welche Art von Film „Sorry, Baby“ ist. Ein Drama, ja. Eine Geschichte über sexuelle Gewalt und die Folgen für Betroffene, ja. Aber auch: eine filmische Umarmung. In einem Artikel in der Los Angeles Times beschreibt die Regisseurin, wie ihre eigene traumatische Erfahrung den Entstehungsprozess von „Sorry, Baby“ beeinflusst hat: „Es gab eine Zeit in meinem Leben, in der ich nach einem Film über Traumata gesucht habe, der meine Hand hält.“ Sie habe keinen Film gewollt, der den Menschen zeige, wie furchtbar es sei, etwas Schlimmes zu erleben. Stattdessen habe sie einen Film machen wollen, der ihnen das Gefühl gebe, weniger alleine zu sein. „Sorry, Baby“ ist genau dieser Film geworden.

Mit einem feinen Gespür für Sprache und Bilder führt Victor durch verschiedene Episoden, die Protagonistin Agnes fragmentarisch über mehrere Jahre durch ihr Leben in der neuenglischen Universitätsstadt begleiten. Immer an ihrer Seite: ihre Mitbewohnerin und beste Freundin Lydie, die im Verlauf der Handlung auszieht und eine eigene Familie gründet. Agnes jedoch bleibt in dem abgeschiedenen Häuschen wohnen, das die beiden sich lange Zeit geteilt haben. Sie hat sichtliche Probleme, mit dem Erlebten abzuschließen, anderen Menschen und dem Leben wieder zu vertrauen. Doch die Freundschaft mit Lydie gibt ihr Halt und Heilung.

Stilistisch spiegelt die nicht lineare Handlung Agnes Heilungsprozess wider: Während sie in einem Moment kühl und rational wirkt, klebt sie im nächsten die Fenster ihres Schlafzimmers mit Seiten ihrer Doktorarbeit zu und nimmt eine Straßenkatze mit in einen Supermarkt. Victor, die mit humoristischen Videos auf X (vormals Twitter) bekannt geworden ist, beweist in ihrem Spielfilmdebüt einen guten Blick für die Herausforderungen des alltäglichen Lebens – die durch das Erlebnis ihrer Protagonistin verschärft werden. Sämtliche Dialoge in „Sorry, Baby“ sind von einem wunderbar lakonischen Humor durchdrungen, der dem Film trotz des schweren Gegenstands Leichtigkeit gibt.

Auch Agnes selbst strahlt eine lakonische Haltung dem Leben gegenüber aus; und wenn diese zeitweise in die Gleichgültigkeit abzudriften droht, dann nur, weil sich dahinter der Schmerz allzu bemerkbar macht. Victor gelingt so eine liebenswerte Antiheldin: Sie schafft es, Agnes Fragilität und Verwundbarkeit zu zeigen, aber auf eine Art und Weise, die geerdet ist und sich selbst nicht zu ernst nimmt.

Optisch fängt der Film diese Stimmung auf: Die Farbpalette ist in Brauntönen gehalten, die Natur in der neuenglischen Kleinstadt wirkt trist und wie im Winterschlaf. Damit zementiert „Sorry, Baby“ einerseits den in den sozialen Medien entstandenen ästhetischen Stil des „Dark Academia“, der seinen Ursprung in einer romantischen Betrachtung des neuenglischen Universitätslebens hat. Zugleich spiegelt diese karge Umgebung Agnes Innenleben wider und passt zur entschleunigten Erzählweise. Victor ist so mit ihrem Debüt ein wunderbarer Film über Trauma, Resilienz und die Kraft der Freundschaft gelungen, in dem am Ende alles perfekt ineinandergreift.

(Marina Wudy)

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