Sin Nombre
MEX/USA 2009, Laufzeit: 96 Min., FSK 16
Regie: Cary Joji Fukunaga
Darsteller: Edgar Flores, Paulina Gaitan, Kristyan Ferrer, u.a.
El Casper wirbt den kleinen Smiley als neues Mitglied in der mexikanischen Gang Tapachula an. Zum Aufnahmeritual gehört das Töten eines Mannes. Als Casper von seinem Bandenchef bitter enttäuscht wird, entschließt er sich gegen die Gruppe und wird zur Zielscheibe.
In Filmen wie „Children of Men“ oder „Babylon A.D.“ bekam man als Zuschauer eine Welt in der nahen Zukunft präsentiert, in der sich Flüchtlingsströme über die Großstädte ergießen und das Chaos längst die Oberhand über staatliche Kontrollen erlangt hat. Wie dicht diese Szenarien schon heute an der Realität sind, wird einem erst so richtig bewusst, wenn man sich einen Film wie „Sin Nombre“ anschaut, der durchaus den Anspruch für sich erhebt, einen Teil der Wirklichkeit in Zentralamerika abzubilden. Neben der Schilderung der geradezu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Straßenbanden beschäftigt sich der Film auch mit dem Schicksal der vielen Migranten, die ihrem Elend Richtung Norden zu entfliehen versuchen.
Der Regisseur Cary Joji Fukunaga hat in seinem Debüt die beiden zunächst unabhängig voneinander ablaufenden Handlungssegmente jeweils an eine Identifikationsfigur geknüpft. Mit Sayra (Paulina Gaitan) findet er ein Gesicht für die Flüchtlingsgeschichte, denn die junge Frau entschließt sich, gemeinsam mit ihrem Vater und ihrem Onkel aus Honduras in die Vereinigten Staaten auszuwandern. Der Film folgt ihrem gefahrvollen Weg über Grenzen hinweg, durch die von Banden geführten Gebiete Mexikos bis an den Übergang in die USA. Die eisernen Regeln einer Straßengang verdeutlicht Fukunaga am Beispiel von El Casper (Edgar Flores), der zunächst voller Überzeugung ein neues Bandenmitglied anwirbt. Doch im Laufe der Handlung wird er den Glauben an seine skrupellose Bruderclique verlieren und sich sämtlichen Gefahren zum Trotz zu dem Verrat an seinen ehemaligen Kumpels entschließen. An dieser Stelle des Films kreuzen sich die beiden Handlungsstränge, und obwohl es in der Figurenentwicklung angelegt ist, hält sich Fukunaga mit der Liebesgeschichte zwischen seinen beiden jungen Protagonisten zurück. Das tut seinem Film sehr gut, weil „Sin Nombre“ damit ein schnörkelloses Sozialdrama bleibt, in dem kein Raum für sentimentale Liebesverkettungen ist. Vielleicht kratzt sein Film stellenweise nur an der Oberfläche, wo man sich eine noch differenziertere Ausarbeitung der Probleme gewünscht hätte. Doch auch im Vergleich zu anderen Auswandererdramen ist es dem Regie-Debütanten gut gelungen, die Konfliktpotenziale auf den Punkt zu bringen und atmosphärisch stimmungsvoll zu bebildern. Wer mehr über die brutalen Bandenverhältnisse in Lateinamerika erfahren möchte, sollte sich den Dokumentarfilm „La vida loca – Die Todesgang“ von Christian Poveda anschauen, für den der Filmemacher drei Jahre zusammen mit der Gang „Mara 18“ verbrachte. Noch vor der Kinoauswertung des Films in El Salvador wurde Poveda von Gangmitgliedern hingerichtet – und war damit nur eines von schätzungsweise zwölf bis dreizehn Gangopfern, die das kleine mittelamerikanische Land täglich zu beklagen hat.
(Frank Brenner)
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