Paradise Now
Deutschland, Niederlande, Israel, Frankreich 2005, Laufzeit: 90 Min., FSK 12
Regie: Hany Abu-Assad
Darsteller: Kais Nashef, Ali Suliman, Lubna Azabal, Amer Hlehel, Hiam Abbas,Ashraf Barhoum, Mohammad Bustami, Mohammad Kosa, Ahmad Fares, Olivier Meidinger, Ali Hamade
?Ausbildung bedeutet Zukunft?
juggernaut (162), 23.11.2005
Sagt im Film einer, der Selbstmordattentäter rekrutiert ? und ausbildet. Eine Prise schwarzen, eher schon makabren Humors darf auch in ?Paradise Now? nicht fehlen. Von dem Moment an allerdings, wo die beiden Auserwählten Khaled und Said in menschliche Bomben verwandelt werden, hat der Film eine nahezu durchgehend beklemmende, regelrecht gespenstische Atmosphäre. Der gescheiterte erste Anlauf zum Attentat und die wachsenden Zweifel am eigenen Tun bei einem der beiden Selbstmordkandidaten bringen eine kurze Verschnaufpause ? und die Hoffnung, sie möchten es sich anders überlegen. Zumal Said gerade mit der hübschen und klugen Suha den, sollte man meinen, denkbar besten Grund kennen gelernt hat, sich und viele andere nicht in die Luft zu sprengen. Doch war sein Vater einst ein Kollaborateur und von den eigenen Leuten erschossen worden. Somit ist das Ganze für ihn nicht nur eine Frage des Widerstands gegen die Besatzer, sondern auch eine der Ehre.
Und nur hier, in dieser Szene kurz vor Schluss, wenn Said in einem langen Monolog noch einmal die Begründungen zusammenfasst, die nach Ansicht der gewaltbereiten Palästinenser die Selbstmordattentate rechtfertigen, und den Besatzern vorwirft, den Menschen vor allem ihre Würde und ihren Stolz zu nehmen, kann man eventuell das Gefühl bekommen, dass der Film zu wenig Distanz zu seinem Thema hält und zu viel Sympathie für die Attentäter aufbringt. Die Kamera bewegt sich dabei langsam durch den Raum, in dem der Chef der Untergrundbewegung Said nach dem Scheitern des ersten Plans nun quasi noch einmal verhört, und bleibt schließlich in einer Großaufnahme von Saids Gesicht stehen. Ein Gespräch findet da schon längst nicht mehr statt, es ist stattdessen ein politisches Statement, das Said hier direkt in die Kamera abgibt ? man könnte auch den Eindruck haben, er hielte eine Rede an das Kinopublikum. Diese filmische Auflösung scheint in der Tat fragwürdig, ist sie doch sehr nahe an den Stilmitteln, mit denen üblicherweise in Propagandafilmen gearbeitet wird. Dennoch sind die teilweise wütenden Proteste gegen ?Paradise Now? für mich nicht nachvollziehbar. Einen Anwerbefilm für potenzielle Selbstmordattentäter unter dem Motto ?Dschihad wants you!? habe ich darin jedenfalls nicht erkennen können.
Was übrig bleibt ist das ungute Gefühl, dass die Vorstellung eines dauerhaften Friedens zwischen Palästinensern und Israelis wohl unter die Rubrik ?Die große Illusion? fallen dürfte. Es wäre schade um das Mittelmeerland, dessen karge Schönheit hin und wieder in den Bildern dieses Films zu erahnen ist.
Gott sei dank
minkapferdchen (28), 20.10.2005
..bin ich nicht die Einzige die diese Meinung vertritt,stimme ich doch Colonia in allen Punkten zu. Der Demonstrantenpulk vorm Kino den ich erst viel später als solchen erkannte als ich mir die Mühe machte die Leidenschaftliche Schmähschrift auf den Film zu lesen, die jedem Zuschauer die Fähigkeit abspricht selbstständig zu denken.
Die interpretation einiger Szenen ist absolut subjektiv und wird meiner Ansicht nach teilweise völlig verdreht,die vorhandene Komik wird mißverstanden und als verharmlosung verkauft.
Ne, sorry Leute,kam bei mir ganz anders an.
Wenn dieser Film wirklich so viel buchstäblichen antisemitischen Sprengstoff birgt, ist es umso verwunderlicher dass es umlängst nur diese eine Meinung hier im Forum gibt.
So ein Quatsch!
Colonia (683), 30.09.2005
Nicht der Film, aber das, was sich drumherum abspielt. Als da wären: Eine Gruppe Demonstranten samt Transparenten und Flugblättern vor dem Kino, die mir ein schlechtes Gewissen ob des Kinokartenkaufes machen möchte.
"Judenmord für 7 Euro" muss ich da lesen und das Wort "Antisemitismus" fällt auch mal wieder, gerade so, als ob Araber nicht auch Semiten wären und ich bereit, mehr als 5 Euro für einen Film hinzublättern.
Es wird wohl keiner aus dem Kino gekommen sein und fortan für Selbstmordattentäter schwärmen. Ich glaube, wir sind alle in der Lage, uns unsere Meinung selbst zu bilden. Die Demonstranten hingegen dürften den Film, den sie kritisieren, wohl kaum gesehen haben, zumal der Protest Tage vor dem offiziellen Filmstart stattfand.
Filme aus Palästina gab es bisher wenige und ein Blick nach jenseits des Zaunes ist allemal interessant. Und da "Paradise Now" auch noch ein ziemlich gelungener Film ist, ist es nicht verwunderlich, dass er zur Zeit auf allen Festivals weltweit läuft und als Beitrag für den Auslands-Oscar eingereicht ist. Den Friedenspreis von Amnesty International hat er bereits bekommen. Und will man A.I. deswegen allen Ernstes Propaganda für die Palästinenser vorwerfen?!
Gespannt sein darf man auf die Reaktionen aus Israel, wo "Paradise Now" im Oktober in den Kinos anläuft. Ich glaube übrigens nicht, dass Filme etwas verändern in der Welt, aber ein unter allen Gesichtspunkten gut gemachter Streifen wie "Paradise Now" (sogar an der Sync wurde mal nicht gespart) kann den Horizont des einzelnen Zuschauers ein bisschen erweitern.
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Sternenkriege und Weißer Terror
Volles Sommerkinoprogramm – Vorspann 06/24