Licorice Pizza
USA 2022, Laufzeit: 133 Min., FSK 12
Regie: Paul Thomas Anderson
Darsteller: Alana Haim, Cooper Hoffman, Sean Penn
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Leichtfüßiges Sittenbild der frühen 70er-Jahre
Euphorie der Jugend
'Licorice Pizza“ von Paul Thomas Anderson
Nach dem im England der 50er-Jahre angesiedelten Drama „Der seidene Faden“ kehrt Paul Thomas Anderson mit „Licorice Pizza“ ins San Fernando Valley in L.A. zurück. Hier hat er seine frühen Filme „Boogie Nights“, „Magnolia“ und „Punch-Drunk Love“ gedreht, hier ist er selber aufgewachsen. Auch wenn er im Jahr 1973, in dem der Film angesiedelt ist, selber erst 3 Jahre alt war, durchkreuzen den Film viele biografische und autobiografische Momente.
Gary Valentine ist süße 15 Jahre alt, verhält sich aber wie ein weltgewandter Gentleman. Das bekommt vor allem die zehn Jahre ältere Alana Kane zu spüren, in die sich Gary bei ihrem ersten Treffen während der Porträtaufnahmen für das Jahrbuch seiner Schule verguckt. Sie arbeitet dort als fotografische Assistentin und kann seine charmanten Annäherungsversuche gerade so abwehren, kommt dann abends aber doch in das vereinbarte Restaurant. Dies ist der Beginn einer längeren Freundschaft mit Aufs und Abs, aber der Altersunterschied scheint vor allem für Alana ein Problem zu sein. Dabei ist Gary, der es als Kinderdarsteller zu einer gewissen Bekanntheit gebracht hat, ganz schön gewieft und selbstbewusst für sein Alter. Als das mit dem Schauspielern nicht mehr so klappt, beginnt er mit seinem kleinen Bruder und einigen Kumpels Wasserbetten zu verticken. Später sind es dann Flipperautomaten, weil er gehört hat, dass die nach fast 50 Jahren wieder legalisiert werden sollen. Nur das mit der Liebe klappt bei ihm nicht so recht. Doch auch Alana, die es zwischendurch in ganz unterschiedlichen Altersgruppen bei Männern versucht, wird nicht glücklich und kommt immer wieder auf Gary zurück. Nicht nur, weil er so verrückte Geschäftsideen hat, an denen sie sich auch immer wieder beteiligt, sondern auch, weil er so ganz anders ist als die Männer, die ihr sonst so begegnen und die durchweg eine alte Zeit verkörpern, die unsere Helden überwinden.
Ein Sittenbild ist Paul Thomas Andersons neuer Film geworden. Angesiedelt ist er allerdings am Ende statt auf dem Höhepunkt einer Ära: Die Hoffnungen der Blumenkinder auf eine andere Gesellschaft sind längst begraben. Eine neue Generation, die dann wieder versuchen wird, alles anders als die Alten zu machen, ist noch nicht in Sicht. Gute Vorbilder sind Mangelware. Woran soll man sich als junger Mensch also orientieren? Etwa an den schmierigen alten Männern oder den spießigen Frauen? Die Suche, die auf ganz natürliche Art ein Umherirren, Stolpern, Schlingern, Abstoppen, aber auch ein Losstürmen, dann wieder ein Kreisen oder ein vorsichtiges Herantasten ist, schildert „Licorice Pizza“ im sommerlichen L.A. der frühen 70er-Jahre auf ganz wunderbar leichte, scheinbar naive Art, die ganz dem Charakter der von Cooper Hoffmann entwaffnend erfrischend gespielten Hauptfigur entspricht. Anderson schließt hier einen denkwürdigen Kreis, denn Hoffmans Vater ist der 2014 mit erst 47 Jahren verstorbene Philip Seymour Hoffman, mit dem er bereits häufig, so in den oben genannten L.A.-Filmen und zuletzt in „The Master“ (2012), zusammengearbeitet hat. Beim Tod seines Vaters war Cooper Hoffman elf, zur Zeit des Drehs von „Licorice Pizza“ war er 17 Jahre alt. Er spielt das Gegenteil von jemandem, bei dem man fürchten müsste, dass er im echten Leben vom frühen Tod seines Vaters traumatisiert ist: Selbstbewusst, optimistisch und meist gut gelaunt eilt das mit korpulenter Figur auch äußerlich seinem Vater ähnliche Schauspieltalent durch sein 133 Minuten langes Debüt von Szene zu Szene. Aber auch seine Partnerin, die 30-jährige Alana Haim, steht hier neben gestandenen Stars wie Sean Penn, Bradley Cooper oder auch Tom Waits das erste Mal für einen Kinofilm vor der Kamera. Mit ihren beiden Schwestern, die zusammen mit ihren Eltern auch ihre Film-Familie spielen, macht sie im echten Leben Musik mit der Band Haim. Mutter Haim war in den frühen 80er-Jahren übrigens Andersons Kunstlehrerin in der Grundschule. Aber das ist eine andere Geschichte. Dass die vielen Geschichten in „Licorice Pizza“ – Anekdoten mit realem Hintergrund, Anspielungen, Verweise – das Publikum so kurzweilig in die Euphorie und mitunter auch Ernüchterung einer Jugend eintauchen lassen, ist Andersons inszenatorischer Leistung zu verdanken.
(Christian Meyer-Pröpstl)
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