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Bis zum Horizont und weiter
Deutschland 1998, Laufzeit: 89 Min.
Regie: Peter Kahane
Darsteller: Wolfgang Stumph, Corinna Harfouch, Nina Petri, Gudrun Orkas, Heinrich Schafmeister

Bis zum Horizont und weiter Immer dann, wenn der deutsche Film sich nicht auf die, wegen des fehlenden Investitions-Muts der Produzenten, von vorneherein zum Scheitern verurteilten "Großproduktionen" stürzt oder seine "schwerblütigen" Regisseure und Autoren der für sie unerreichbaren Leichtigkeit der Komödie hinterherhecheln, sondern wenn er sich auf seine Regionalität und die Themen der Zeit besinnt, gelingen ihm die größten Würfe. Wolfgang Beckers "Das Leben ist eine Baustelle" und Faith Akins "Kurz und schmerzlos" sind da nur zwei gelungene Beispiele aus letzter Zeit. Und das man sogar die vom englischen Kino so perfekt beherrschte Mischung aus Humor und Realität durchaus auch hier beherrscht, zeigt Oliver Bukowskis und Peter Kahanes "Bis zum Horizont und weiter", mit dem im letzten Jahr arg gebeutelten deutschen Filme nun ein hoffnungsfroher Start ins neue (Film-)Jahr gelingt. Der arbeitslose Baggerführer und Hobby-Musiker Henning aus der Lausitz entführt in Berlin die "etepetete"-Richterin Beate, um seine von ihr verurteilte Freundin Katja freizupressen. Er fährt mit Beate zu seiner in einem stillgelegten Braunkohle-Gebiet lebenden Mutter, und stellt sie als seine Verlobte vor. Als dann aber unvermittelt die zwischenzeitlich aus der Haft geflohene Katja auftaucht, überstürzen sich die Ereignisse und enden schließlich tragisch. Man kommt aus dem Kino - und hat vor allem das gesehen, was der neue deutsche Film so selten zu bieten hat: leinwandgerechte Bilder. Kameramann Gero Steffens, der ja durch seine Kunst in Thomas Jahns "Knockin' on Heavens door" vor dem Fall in die Belanglosigkeit bewahrt hatte, gelingt es auch hier Landschaft und Stimmung zu einer Einheit verschmelzen zu lassen. Ruhig beobachtet er den verlassenen Landstrich und die Menschen, die sich in dieser Einsamkeit eingerichtet haben. Sein Blick ist immer bestimmt von einer "zarten" Annäherung an die Personen, nie wird er aufdringlich. Da sieht er sich ganz im Einklang mit der zurückhaltenden Inszenierung, die sich jeder Versuchung einer voyeuristischen Betrachtungsweise, obwohl der Plot da einige "Fallen" enthält, versagt und versucht das Innenleben der Personen dem Zuschauer nahezubringen. Und genauso wie er seine Protagonisten liebt, "verliebt" sich der Zuschauer immer mehr in diese, selbst in ihrer scheinbaren "Normalität" skurill erscheinenden Figuren: Henning, den Katjas Zellengenossin nach deren enthusiastischer, von Wunschdenken geprägter Schilderung, einmal als eine Reinkarnation von Lassie im falschen Gehäuse bezeichnet, wird von dem sächsischen Kabarettisten Wolfgang Stumph auf jenem schmalen Grad gespielt, auf dem seine Gutmütigkeit jederzeit auch in eine aus Verzweiflung geborene Gewalt umschlagen könnte. Und Corinna Harfouch, die ihre in drei Jahren geschriebene Doktorarbeit über "Geiselnehmer" nun in 10 Minuten von der Realität eingeholt sieht, spielt ohne jegliche Larmoyanz eine Frau, die trotz ihrer mißlichen Lage bereit ist, in andere hineinzusehen und somit auch in sich hineinzuhören. Das vordergründig grobschlächtig-teddyartige Hennings und die eher fernnervige Art Beates erfahren durch die Schauspielkunst von Stumph und Harfouch dabei einen Gleichklang, der die Herzen der Zuschauer mitschwingen läßt. Unterstützt werden sie dabei von der wunderbar handfesten Nina Petri, die dem Glück hinter dem Horizont näher steht, als ihre Wurschtigkeit vermuten läßt und der resolut-bodenständigen Gudrun Orkas, die versucht der "Traumwelt" ihrer Filius eine Heimat zu geben, auch wenn es nur für kurze Zeit ist. Mit welcher Präzision und Natürlichkeit Kahane seine Protagonisten durch die Szenerie führt, und dabei auch die durchweg treffsicher besetzten Nebenfiguren nicht vernachlässigt, zeugt von seiner Regiekunst, ebenso die inszenatorische Nonchalence, mit der er den trockenen Humor des Drehbuchs umzusetzten weiß. Mit Kahane ist ein Regisseur wieder "auferstanden", der im Kino (viel zu-)lange "verschollen" war und der aus den (eigenen) Drehbuchschwächen seines letzte Films "Cosimas-Lexikon" gelernt hat, daß das Schreiben nicht seine Stärke ist. Diese Einsicht wünscht man vielen deutschen Filmemachern, die sich mit für den Zuschauer unschöner Regelmäßigkeit in der Doppelfunktion Autor/Regisseur versuchen. Sie sollten Ausschau halten nach einem wie Oliver Bukowski, die hier sein eigenes Hörspiel kongenial für den Film bearbeitet hat oder Peter Kahane die Regie ihrer Bücher übertragen - denn der hat einen Blick für Bilder und ein sicheres Gespür bei der Auswahl und beim Führen der Schauspieler..

(Rolf-Ruediger Hamacher)

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