Manchmal klopft die Außenwelt an die Wände des kleinen und schmucken Saals im Endstation-Kino in Bochum-Langendreer. Dann lässt eine passierende S-Bahn vom anliegenden Bahnhof die Erde ein wenig zittern. Man ist, wie es sich für die Location eines „Filmfestivals des Ruhrgebiets“ gehört, dicht von gewerblich genutzten Gebäuden umbaut. Die volle künstlerische Freiheit spielt sich dagegen auf der Leinwand ab. Wie jedes Jahr ist alles erlaubt, was den Blick aufs Revier individuell genug gestaltet hat. 34 Filme sind im Programm.
Auch am Veranstalter Klack Zwo B ging das Prädikat Kulturhauptstadt nicht spurlos vorbei. Direkt der erste Filmblock hat den scheinbar unvermeidlichen regionalen Selbstbezug zum Thema. Hier kommt man auch Manfred auf die Schliche, Trommler in einer Bochumer-Fanfaren-Gruppe. Die Musik ist ihm da aber zu morbide. Sein offener Widerstand endet in einem Desaster. Zum Schluss kriegen aber alle noch ihren „Swing“ und bieten eine Broadway-reife Choreographie in der U-Bahn. Henning Marquaß’ Kurzfilm „Bochumer Jungen“ zeigt ganz ohne Pott-Pathos einen stillen, aber witzigen Rebellen. Ernste Emotionen zeichnen dagegen den Block am Freitagabend aus. Ein Beitrag hierbei ist „Spuren“ von Sebastian Fritzsch. Julia, eine Studentin, ist mit dem Polizisten Michael zusammen. Sie lernen in einer durchtanzten Nacht Will, einen afrikanischen Flüchtling, kennen. Will und Julia starten eine heimliche Beziehung, die nicht nur vor Michael, sondern auch vor dem deutschen Gesetz bestehen muss. „Spuren“ ist eine souveräne Erzählung über eine kurze Liebschaft ohne Boden. Musikfilme sind diesmal am späten Samstagabend vertreten. Dort tummelt sich auch Frank Wierkes Band-Portrait über „Die Sterne“. Der gleichnamige Dokumentarfilm ist keine Hommage an die Aushängeschilder der Hamburger Schule, eher fungiert Wierkes Kamera hier als ständiger Begleiter im fast routinierten Tagesablauf und lässt die einzelnen Charaktere der Band immer mehr in den Vordergrund rücken. Nicht nur etwas für Freunde von Frank Spilker und Co. Das Massen-Frühstücks-Event „Stillleben“ nutzte Carsten Bruehl, um daraus eine Mockumentary über die A40 als ultimativen Zufluchtsort bei einer vernichtenden Katastrophe zu machen. Lärmschutzwände versprühten demnach sogar Drogen, um die Massen ruhig zu halten. Haben die Menschen überlebt?
Auf zwei Individualisten in Film und Kunst blickt man mit Klaus Wildenhahn und Richard Serra zurück. Wildenhahn, Regisseur unzähliger Dokumentarfilme und einflussreicher Filmtheoretiker, wird in „DIRECT! Public and private Spaces“ von der Weggefährtin Quinka Stoehr portraitiert. Das filmische Werk von Industrial Art-Pionier Richard Serra läuft am Samstag (27.11.) über die Leinwand.
Der Ruf des Blicke-Festivals als Treffpunkt für originelle und grenzenlose Filmkonzepte eilt ihm zurecht voraus. Der Kontakt zwischen Filmschaffenden, Fachleuten und Zuschauern ist hier fließend, was nicht zuletzt der verbauten Location zu verdanken ist. Unter den vier zu verleihenden Preisen ist auch diesmal der mit 600 Euro dotierte trailer-Querdenkerpreis.
Blicke aus dem Ruhrgebiet I 25.-28.11.
Endstation-Kino Bochum-Langendreer www.blicke.org
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Vergesst alles, was Ihr bisher gesehen habt.“
Gabi Hinderberger vom „blicke. Filmfestival des Ruhrgebiets“ über dessen Werdegang
20 Jahre blicke
Das Filmfestival des Ruhrgebiets blickt auf sich und die Welt – Festival 11/12
Geadelte Blicke
Beim 19. Blicke aus dem Ruhrgebiet-Festival wurden sieben Filme ausgezeichnet – Festival 11/11
Von Städten und Menschen
Das 19. blicke-Festival des Ruhrgebiets zeigt Visionen und Träume – Festival 11/11
20 Sekunden Lokalpatriotismus
Das Blicke-Filmfestival begeht Jubiläum mit Sonderwettbewerb - Festival 06/12
Wo laufen sie denn?
Die 20. Ausgabe des blicke-Festivals - Festival 11/12
Ein Aufruf ans Auge
„Call for entries“ für das 19. Ruhrgebiets Filmfestival „Blicke“ das vom 24.-27. November 2011 stattfinden wird - Festival 06/11
Filmischer Feminismus
Das IFFF 2025 in Köln – Festival 04/25
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24
Doppelter Einsatz für „Afrika“
Spendenaufruf des Afrika Film Festivals – Festival 05/24
Wenn Kino Schule macht
Die Reihe Filmgeschichte(n) spürt Schulgeschichten auf – Festival 05/24
Prominente Drehorte
Der Verein Köln im Film zeigt in Köln gedrehte Spielfilme – Festival 05/24
Sichtbarkeit vor und hinter der Leinwand
Das IFFF fordert Gleichberechtigung in der Filmbranche – Festival 04/24
Filmgeschichten, die das Leben schreibt
Neue Dokumentarfilme aus einer verrückten Welt – Festival 01/24
Kino galore
European Arthouse Cinema Day 2023 – Festival 11/23
„Dialog ist der Schlüssel zur Veränderung“
3 Fragen an Kyra Scheurer vom Festival Edimotion – Festival 10/23
Der Atem des Films
Das Festival „Edimotion“ holt die Monteure des Films ins Rampenlicht – Festival 10/23
Film- und Troublemaking
„Clashing Differences“ gewinnt choices-Publikumspreis des 20. Afrika Film Festivals – Festival 10/23
„Festivals sind extrem wichtig, um Vorurteile abzubauen“
4 Fragen an Sebastian Fischer, Leiter des Afrika Film Festivals Köln – Festival 09/23