„Patriotismus? Nein danke!“, heißt es alle zwei Jahre wieder, wenn Schwarz-Rot-Gold die Straßen während einer Fußballmeisterschaft dominiert. Ein wenig Lokalpatriotismus dagegen wird größtenteils mit Wohlwollen betrachtet, so auch bei der Aktion „20 blicke, 20 Sek. meine Stadt“. Die eigene Stadt oder Region mit dem, was sie für den Bewohner bedeutend und einmalig macht – wie Familie, Freunde, Szene, Mundart, Stadtbild, Schrullen und Macken: All das haben Hobby- und Profifilmer aus dem Ruhrgebiet in nur je 20 Sekunden in Bild und Ton verpackt, sei es experimentell oder dokumentarisch. Vom 2. bis 22. November werden die 20-Sekünder den Usern der blicke-Homepage zur Wertung freigestellt. Die offensichtliche Häufung der Zahl 20 bei diesem Wettbewerb ist kein Zufall, denn das blicke-Festival feiert im November genau 20jähriges Bestehen. Das Kaleidoskop aus vielseitigen, kurzen, prägnanten und sehr persönlichen 20-Sekunden-Impressionen bildet einen repräsentativen Auftakt für das Festival, das nun seit zwei Jahrzehnten Filmemachern des Ruhrgebiets die Gelegenheit bietet, die Formen und Möglichkeiten des Mediums Film auszuloten und ihre ganz individuellen Einblicke anderen zugänglich zu machen.
Vom 22. bis 25. November schaut das Filmfestival des Ruhrgebiets in 10 Filmprogrammen mit über 30 langen und kurzen Beiträgen auf Schönes und Stilles, Grässliches und Schrilles, Abstruses und Gewöhnliches. Gleich mit dem ersten Beitrag geht es lokal los, passend da der Titel: „Ruhrpottromantik“. Sebastian Daniel zeigt die Facetten der hiesigen Metropole: hektische Infrastruktur und idyllische Ruhrwiesen, rauchende Kraftwerke und rotierende Windräder, Musikfeste und Fußballstadien, Menschen und Hochhäuser. Das alles wurde mit „Fake Tilt-Shift“-Technik umgesetzt, erzielt also einen Effekt, der an Miniatur-Landschaften denken lässt. Den Bogen vom Lokalen zum Globalen schlägt dann Britta Wandaogo, die bereits 2009 den blicke-Preis gewann, mit „Krokodile ohne Sattel“. Der Frage nach Identität und Glück wird in dem Gedankenkosmos ihrer 13jährigen Tochter Kaddi Malika ohne die Regeln der Kausalität nachgegangen. Experimentell schickt Kerstin Gramberg den Zuschauer auf eine rasante Fahrt mit der Metro durch den Untergrund in „The Underground Connection“. Der Untergrund zeigt sich feindlicher, wilder und stimmungsreicher als gedacht und spuckt den Zuschauer schließlich in den nächsten Nachtmahr, den Beitrag von Schwarwel „Herr Alptraum und die Segnungen des Fortschritts“. Der Herr Alptraum geht penibel seinem Job nach und beliefert die Menschen mit Angstträumen, außerdem ist er heimlich verliebt in Frau Insomnia – bis zu einem einschneidenden Erlebnis: Er entdeckt den Film für sich. Ein unterhaltsamer, schräger Kurzfilm, der bereits bei den Shocking Shorts Awards auf großen Anklang stieß. Im Kontrast dazu steht die ernste und kontemplative Dokumentation Klaus Hommerichs über den Tod mit dem Titel „1200 Grad“. In technischer Perfektion bringt der Kurzfilm seinen Zuschauern das „Leben danach“ näher, zum Beispiel über Einstellungen eines Krematoriums oder eines Friedwaldes. Das Thema findet seine Entsprechung in der Machart des Films, der eine unglaubliche Ruhe ausstrahlt.
Doch das Filmfestival beschränkt sich nicht allein auf filmische Beiträge. Es redet über Film und lässt über Film reden. Ein Schwerpunkt ist der Wandel des Mediums und seiner Möglichkeiten durch unser verändertes Konsumverhalten. Welche Wege muss, kann und darf der Film der Zukunft also einschlagen? Dass ein runder Geburtstag nicht nur eines exzellenten Programms bedarf, sondern auch eines Festes, wird dabei nicht vergessen. Und so lädt blicke zu zwei Partys mit Musik, Installationen, viel Kunst und vor allen Dingen Offenheit ein. „“
„blicke – Filmfestival des Ruhrgebiets“ I 22.-25.11. I Endstation Kino Bochum I www.blicke.org
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„Vergesst alles, was Ihr bisher gesehen habt.“
Gabi Hinderberger vom „blicke. Filmfestival des Ruhrgebiets“ über dessen Werdegang
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