In Europa geht es mittlerweile unbemerkt über Grenzen hinweg. Von Köln nach bis Liège sind es gerade einmal 100 Kilometer und schon sprechen die Menschen Französisch. Dass man zwischenzeitlich eine Grenze überquert hat, kriegt nur mit, wer aufmerksam auf die Beschilderung achtet. „Bienvenue en Belgique", das ist alles, was von der deutsch-belgischen Grenze übrig blieb. Dass dort vor knapp einhundert Jahren der Erste Weltkrieg begann und seine ersten Todesopfer forderte, ist nicht mehr vorstellbar. „Der Friede in Europa, der anscheinend erreicht ist, ist für die Menschen mittlerweile selbstverständlich", sagt Detlef Heints. Heints ist stellvertretender Vorsitzender der Europa-Union Köln, einem Verein, der sich für einen europäischen, föderativen Rechtsstaat einsetzt.
Nach dem „Bienvenue" hinter der Grenze folgen dann Schilder, die kurz erklären, wie die Geschwindigkeitsregelung funktioniert. Für Deutsche heißt das allemal auf die Bremse treten – im europäischen Ausland fährt man langsamer im Straßenverkehr. Dass politisch ausgerechnet die Partei von Konrad Adenauer und von Helmut Kohl, den Vätern von Westanbindung und Europäischer Integration, in Sachen Europa auf die Bremse tritt, „das finde ich bedauerlich und schade", sagt der 58-Jährige. Nicht der konservative Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei EVP – der auch die CDU angehört – Jean Claude Juncker wird von den Christdemokraten plakatiert, sondern die nicht zur Wahl stehende Kanzlerin.
Seit 1946 gibt es die Europa-Union Deutschland, die in 16 Landesverbänden und rund 350 Kreis-, Orts- und Stadtverbänden vernetzt ist. Sie hat in 30 europäischen Ländern Partnerorganisationen, deren Wurzeln häufig im Widerstand gegen die Nazis liegen. Ihre Überzeugung war und ist, dass Friede für künftige Generationen nur gewahrt werden kann, wenn das Chaos der uneingeschränkt souveränen Nationalstaaten überwunden wird. Das Ziel ist der Zusammenschluss der Staaten zu einem europäischen Bundesstaat: föderal, demokratisch-parlamentarisch, unnötige Machtkonzentration verhindernd, die Eigenarten der Völker und kulturelle Vielfalt erhaltend.
Auch die Europa-Union ist vielfältig. „Wir sind überparteilich", erläutert Heints, der Programmleiter Gesundheit und berufliche Bildung der Volkshochschule Köln ist und seit drei Jahren in der Europa-Union ist. Es gibt parteigebundene und parteilose Mitglieder. „Gemeinsam ist allen, dass wir neben der wirtschaftlichen auch die politische Integration Europas wollen." Im Großen und Ganzen, daran lässt der 58-Jährige keinen Zweifel, sei Europa eine Erfolgsgeschichte. Gegenwind erfahre der Pro-Europa-Kurs aber durch eine Stimmung, die sich landauf, landab verfestige: „Europa ist nicht in." Daran seien besonders die nationalen Politiker schuld: „Wenn was schlecht läuft, dann war es Europa, wenn etwas gut läuft, wird es als nationaler Erfolg verkauft." Und die Medien verstärken dieses Bild. „Über die europäische Politik müsste aus europäischer Perspektive berichtet werden. Damit wäre viel gewonnen", ist sich Heints sicher.
www.europa-union-koeln.eu
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