Es ist erstaunlich, wie beständig Ballettdirektoren im Vergleich zu Theater- Intendanten sind. Zwei Berufungsperioden, also ein Jahrzehnt, das ist fast schon die Regelzeit an einer Bühne (von Ausnahmen mal abgesehen). Manche Tanz-Macher prägen oft über mehrere Jahrzehnte den Tanz in einer Stadt. John Neumeier etwa ist ein Synonym für Ballett in Hamburg. Unvorstellbar, dass das Hamburg Ballett von jemand anderer/anderem geleitet würde. Sein Markenzeichen: klassisches Ballett in moderner choreografischer Form. Selbst aus untanzbar geltender Musik (Schubert, Mahler) schuf er einmalige Ballette. Inzwischen ist er mit 36 Dienstjahren Deutschlands dienstältester Ballettdirektor. Doch so, wie das Intendanten-Karussell manchmal unerwartet Fahrt aufnimmt, so kommt es auch im Tanz gelegentlich zu unerwarteten Kontinuitäts- Brüchen. Auch William Forsythe galt zwei Jahrzehnte (1984-2004) als Synonym für Tanz in Frankfurt. Und er gilt weiterhin als einer der innovativsten Choreografen in Deutschland. Es hat ihm nichts genützt. Abrupt setzten Sparbeschlüsse dem Ballett Frankfurt ein Ende. Gleiches in Köln: Fast drei Jahrzehnte hat Ballettdirektor Jochen Ulrich den Stil des Tanzes in Köln geprägt. Kulturelle Strahlkraft, internationale Beachtung: für Kommunalpolitiker ohne Belang, wenn es ans Sparen geht.
Ein erfolgreicher Tanz-Macher ist auch Martin Puttke. Dreizehn Direktoren- Jahre lang hat der erfahrene Ballettpädagoge das 1995 neu formierte Aalto Ballett Theater Essen zu einem international anerkannten Spitzenensemble geformt. Offen und qualifiziert für jeden Tanzstil ist das Aalto Ballett Theater seitdem. Honoriert wurde es Puttke nicht. Stattdessen: weggelobt. Seitdem ein Tanz nichtssagender Gefälligkeit. Ein schweres Erbe, das Ben van Cauwenbergh, der neue Ballettdirektor in Essen, angetreten hat.
Aufbruch in die Ballettwelt des 21. Jahrhunderts signalisiert dagegen der Direktoren-Wechsel in Düsseldorf. Dreizehn Jahre wurden hier von Youri Vàmos legendäre Handlungsballette mit pittoresker Ausstattung präsentiert. Nur noch umjubelt von einem immer älter werdenden Ballett-Publikum war ein Stilwechsel längst überfällig. Der ist dann so radikal wie an sonst keiner Tanzbühne ausgefallen. Dem malerischen Ballettklassiker Vàmos folgte der abstrakte Neoklassiker Martin Schläpfer, ein moderner Tanz-Macher, der es kurz und knackig liebt. Mehrere Ballette verschiedener Choreografen werden oft zu einem Abend zusammengefasst und nummeriert. Mit b.01 startete er in Düsseldorf. Sein Beitrag dazu, die „3. Sinfonie“, ist ein echter Knaller! Abstrakt getanzt war das Ballett dennoch von einer unerwarteten Inhaltlichkeit: eine dumpfe, nur manchmal aufbegehrende nachzivilisatorische Gesellschaft, so schien es, auf dem Weg der Neuordnung. Ruhiger wird es wohl beim zweiten Ballettabend b.02. Schläpfer vertanzt Bachs vielschichtige „Kunst der Fuge“. Premiere in Duisburg ist am 5. Dezember und am 19. Dezember in Düsseldorf. Mal sehen, ob dem Ballett am Rhein der Imagewandel gelingt.
Programm und Karten: www.ballettamrhein.de
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