Waren es tatsächlich Könige? Im Matthäusevangelium aus dem 1. Jahrhundert ist die Rede von „Sterndeutern aus dem Morgenland“, die nach Bethlehem reisten und dem Christuskind „Gold, Weihrauch und Myrrhe“ schenkten. In den folgenden Jahrhunderten variieren die Überlieferungen und damit die Attribute der Fremden, deren Anzahl schließlich mit „drei“ beziffert wird. Eine wichtige Rolle für das Verständnis spielen die Bilder, mit denen die Heilsbotschaften in der Bevölkerung verbreitet wurden. Wie weit das Spektrum der Ausdeutung reicht und wie unterschiedlich die drei Könige beschrieben sind, das verdeutlicht jetzt die aktuelle Sonderausstellung im Museum Schnütgen.
Anlass ist die 850. Wiederkehr der Überführung der Reliquien der Heiligen Drei Könige in den Kölner Dom. Kaiser Barbarossa hatte sie nach der Eroberung Mailands dem Erzbischof von Köln überlassen, der sie im Sommer 1164 nach Köln brachte. 1248 begann der Bau des Kölner Doms, in dem der Schrein mit den Reliquien untergebracht wurde. Mit der Beisetzung im Dom nahm die Legendenbildung weiter zu, wobei schon Mitte des 11. Jahrhunderts an St. Maria im Kapitol eine Holztür mit Schilderungen zur Geburt Christi angefertigt wurde. Aber die Heiligen Drei Könige sind Stadtpatrone von Köln, so dass das aktuelle Jubiläum für die ganze Stadt von Bedeutung ist. Weitere Ausstellungen finden in der Schatzkammer und in der Hubertuskapelle des Kölner Domes statt und auch im Schokoladenmuseum. Dort hat die Berliner Künstlerin Sonja Alhäuser den Dreikönigenschrein mit Schokolade als Material interpretiert. Einen Teil der Figuren hat sie nach Menschen unserer Tage modelliert.
Hauptort ist – neben dem Dom selbst – das Schnütgen Museum an der Cäcilienstraße. Was dort an Werken aus siebzig Sammlungen und Museen entliehen werden konnte, ist sensationell. Ausgestellt sind Gemälde, Skulpturen, liturgische Handschriften, Altarbilder und liturgische Gegenstände, die über das rein ästhetische Erlebnis hinaus zu den Mythen zur Geburt Christi und den Drei Königen, zur Gesellschaft und zur Kunstgeschichte im Wandel der Epochen Auskunft geben. Zu bewundern sind Meisterwerke der Bildenden Kunst der Gotik und Renaissance. Wann sonst sieht man den „Reisealtar des Robert von Anjou“ aus dem frühen 14. Jahrhundert: das Baldachinretabel der Schwarzen Madonna des Tino di Camaino, das sich in der Sammlung des Museums in Brünn befindet? Herausragend ist auch das sogenannte Carrand-Diptychon, das ohnehin eines der wenigen fantastischen Beispiele früher nordischer Malerei ist, welche die Heiligen drei Könige zeigen. Entstanden um 1360 in Brabant oder Luxemburg, ereignen sich die bildnerischen Geschehen der beiden Tafeln auf gedrängtem Raum. Mit fließenden Formen sind vor dem Goldgrund einzelne dramatische Szenen komprimiert; Anmut ist mit Pathos verknüpft. Dazu sind im linken Flügel die Mutter Gottes und im rechten Christus am Kreuz durch die kompositorische Staffelung der Figuren und den Lichteinfall hervorgehoben.
Mit der Gliederung in einzelne Kapitel sensibilisiert die Ausstellung zugleich für die unterschiedlichen Aspekte, die in den Malereien und Skulpturen vorkommen. Dies betrifft die Stifter, die sich selbst darstellen ließen oder deren Wünsche in die Kunst eingeflossen sind, und die Standesinsignien der Könige und die Geschenke für das Christuskind. Vor allem verdeutlicht die Ausstellung, wie zentral die Darstellung der Geburt Christi in der abendländischen Kultur über Jahrhunderte ist und zu was für prächtigen Kunstwerken sie geführt hat – und wie Mythen entstehen und ein Gesicht bekommen.
„Die Heiligen Drei Könige – Mythos, Kunst und Kult“ | bis 25.1. | Museum Schnütgen | 22 13 13 55
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