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Ausstellungsansicht Kolumba, Raum 6, im Raum: Dario Villalba: La Espera (1974), seitlich an der Wand: Schaukasten mit Schmerzensmann (Mitte 18. Jh.), hinten an der Wand: Michael Kalmbach: Bildergeschichte Der große und der kleine Paul (2003)
© Kolumba – Kunstmuseum des Erzbistums Köln / Künstler

Museen mit Innenhof

26. Mai 2011

Zwei Museen, ein weites Themenfeld: das Museum Schnütgen und das Kolumba - Kunst in Köln 06/11

Auch ohne eine rasche Folge an Wechselausstellungen: Das Museum Schnütgen und das Kolumba gehören zu den eindrucksvollsten Ausstellungshäusern in Köln. Und indem sich ihre Ausrichtungen und der „Sinn“ ihrer Exponate überschneiden, ergänzen sie sich noch. Thema sind die Spiritualität und die Hinterfragung des Daseins auf der Erde, vor allem (aber nicht ausschließlich) als Transzendierung christlicher Gedanken. Dabei sind die Übergänge zwischen angewandter und freier Kunst mitunter fließend – dahinter stehen besondere Konzepte. Das Museum Schnütgen widmet sich mit seinen etwa 13.000 Kunstwerken ganz dem Mittelalter, dessen Zeugnisse von großer Frömmigkeit und Unsicherheit gegenüber Leben und Tod geprägt sind; die Kulturgüter dieser Zeit nehmen folglich auf den christlichen Ritus und seine Heilsvorstellungen Bezug. Das Kolumba als Kunstmuseum der Erzdiözese geht seinerseits der christlichen Grundhaltung in Kunst und Kultur seit dem Mittelalter bis in die Gegenwart nach, auf ebenso konkrete wie dann auch allgemeine, transzendente Weise. Dies beinhaltet Stefan Lochners Tafelmalerei der „Madonna mit dem Veilchen“ (um 1450) ebenso wie die abstrakte Stahlplastik „Die Untergegangenen und die Geretteten“ (1992/97) von Richard Serra.

Und dann sind da die äußeren Gemeinsamkeiten: Beide Häuser besitzen eine lange Geschichte – im Museum Schnütgen wurde im vergangenen Jahr der 100. Geburtstag gefeiert; das Museum der Erzdiözese existiert seit 158 Jahren –, beide wurden in den letzten Jahren mit neuen Gebäuden wieder eröffnet und beziehen jeweils einen Kirchenbau in ihr Areal ein. Und beide bieten Ruhezonen bei der Betrachtung der Kunst. So gibt es hier wie da Innenhöfe, die ein wenig die Aktivität der umgebenden City fernhalten. Beim Kolumba gelingt das tatsächlich; der Garten neben dem Museum Schnütgen wirkt heute unentschieden, aber das kann mit dem Sommer besser werden.

Überhaupt, im Museumszentrum im Kulturquartier am Neumarkt bleibt die Eingangspassage links zum Museum Schnütgen etwas unbeachtet angesichts des Auftritts des Rautenstrauch-Joest-Museum. Drinnen ist freilich alles anders, sind die Lichtregie und die Präsentation vollends gelungen. Hier vermittelt sich dann die Würde, die den Steinfiguren, Glasfenstern und Gewändern angemessen ist. „Herzstück“ des Museum Schnütgen ist nach wie vor die aus der Romanik stammende säkularisierte Cäcilienkirche, die in weiten Blicken zu überschauen ist und in der alle Bereiche den Holzskulpturen, Goldschmiede- und Elfenbeinarbeiten aus der Liturgie vorbehalten sind. Daneben steht übrigens die Kirche St. Peter, in der seit den 1980er Jahren Ausstellungen zeitgenössischer Kunst auf höchstem Niveau stattfinden. St. Peter hat als „Vorreiter“ im Grunde auch den weiteren, ebenso dem Geistlichen wie dem „Weltlichen“ zugewandten Radius definiert, der heute in weiten Teilen das Kolumba kennzeichnet.

Die Stille im Kolumba

Dieses Museum, dessen Architektur Peter Zumthor entworfen hat, wurde im September 2007 eingeweiht. Es überspannt die Reste und Trümmer der mittelalterlichen Kirche St. Kolumba mitsamt der Nachkriegs-Kapelle von Gottfried Böhm und ist für sich eine Sensation, gerade wegen seiner Großzügigkeit bei gleichzeitiger Bewussthaltung des Gebäudes, die einen intensivierenden, meditativen Ton der Stille vorgibt. Die Präsentation der Kunstwerke in den teils riesigen Räumen ist entsprechend sparsam, dabei pointiert. Dies kennzeichnet auch den aktuellen Szenenwechsel, der bis Ende Juli unter dem Titel „Noli me tangere!“ läuft. Zur ausgestellten Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die in einen stummen, nur selten unmittelbaren Dialog etwa mit Kruzifixen und den Glasgefäßen aus der Sammlung Werner Schriefers tritt, gehört der eindrucksvolle Zyklus der „Krankenbilder“ (1972-75) von Herbert Falken, der Krankheit und Tod in realistisch expressiver Zeichnung vor Augen führt. Und es gibt den Raum aus Fundobjekten der im vergangenen Jahr verstorbenen Kölner Künstlerin Krimhild Becker: als Inszenierung verschiedener Dinge, Knochen, Tierpräparate, die mitteilt, dass alles im Leben aufeinander verweist und die Zeit direkt mit der Ewigkeit verknüpft ist. Auch hier vermittelt die Kunst existenzielle Erfahrungen, die frei von religiösen Begriffen sind, aber in diesen wiederkehren, ja, in ihrem Zentrum stehen. Aber gibt es überhaupt – heutzutage – so etwas wie eine christliche Kunst und wäre das nicht reine Illustration? Dazu ist vor kurzem ein Artikel von Peter B. Steiner erschienen, in dem dieser die Präsenz religiöser Elemente in der Gegenwartskunst „im Scheitern der Paradies-Versprechungen der Moderne“ begründet sieht. Und: „Die zutiefst existenziellen Fragen nach Liebe, Tod, Leid, Leben sind Fragen der Religion und der Kunst.“ (CIG, 15/2011, S. 166) In der Tat, das Museum Schnütgen und das Kolumba stehen mitten im Leben. Dort sind sie mit ihren Zeugnissen der Vergangenheit und mit ihrer Kunst überaus aktuell und berührend.

Museum Schnütgen – Kunst des Mittelalters I 0221 22 12 23 10

KOLUMBA, Kunstmuseum des Erzbistums Köln –

„Noli me tangere!“Berühre mich nicht / Halte mich nicht fest

Bis 31.7. I 0221 933 19 30

THOMAS HIRSCH

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