Die Skizzen, ausgestellt im Deutschen Tanzarchiv Köln im Mediapark, sind zart, filigran und flüchtig. Sie zeigen Tänzerinnen und Tänzer des Russischen Balletts, das ab 1909 im damals wilhelminischen Berlin gastierte. Der aus jüdischer Familie in Hannover stammende Ernst Oppler (1867-1929), der sich als Porträtist, Radierer und Landschaftsmaler einen Namen gemacht hatte, war begeistert. „Für mich […] bedeutete das Auftreten der Russen wohl das größte Erlebnis in meiner künstlerischen Entwicklung, weil diese durch die Leidenschaftlichkeit ihrer Darstellung, die unvergleichliche Höhe ihrer Tanzkunst, den bis dahin nie erreichten Zusammenklang von Bühnenbild, Musik wie mit dem Ausdruck und Rhythmus alles erfüllten, was sich künstlerische Phantasie erträumen konnte“, so der Künstler über seinen ersten Eindruck.
„Ballett hatte in Deutschland zu diesem Zeitpunkt an Bedeutung verloren, fand nur im Zirkus statt“, erläutert Prof. Dr. Frank-Manuel Peter, Leiter des Deutschen Tanzarchivs Köln. „Deshalb blieb der erste Auftritt des Russischen Balletts 1908 erfolglos. Jedoch überzeugte die Schauspielerin Tilla Durieux ihren Partner Paul Cassirer, Kunsthändler und Sekretär der Berliner Secession, ein neuerliches Gastspiel 1909 zu organisieren. Dieses begeisterte die Berliner Künstler, darunter Ernst Oppler.“ Von nun an verbrachte er Stunden in Proben und hinter der Bühne, skizzierte Momentaufnahmen der einzelnen Bewegungsabläufe, aus denen er später Radierungen und dann Gemälde schuf. Diese Entwicklungsstufen sind in der Ausstellung anschaulich dokumentiert. „Der Unterschied zu einem Maler wie Edgar Degas, der Balletttänzerinnen in Posen an der Stange zeigte, besteht darin, dass Oppler den Tanz als solchen zu erfassen suchte“, so Peter. Der Maler erfand sogar extra einen beleuchteten Zeichenstift, damit er im Dunkeln des Zuschauerraums skizzieren konnte.
Insbesondere die Solistin Anna Pawlowa (1881-1931), deren ‚Sterbender Schwan‘ die Zuseher begeisterte, beeindruckte Oppler, wovon zahlreiche Studien, Radierungen, Gemälde und Portraits zeugen. Ein vergrößertes Schwarz-Weiß-Foto in der Ausstellung zeigt die beiden beim Teetrinken in Opplers Berliner Atelierwohnung, hinter ihnen seine Gemälde. Auch den Tanzstar Waslaw Nijinsky (1889-1950), der mit seinen Sprüngen überzeugte, hat er wiederholt gezeichnet. Das Gemälde entstand jedoch erst Jahre später. „Oppler war der Fotografie näher als der Malerei“, so Peter. „Er wollte immer die Intensität der Bewegung einfangen.“ Einen Blickfang in der mit über 120 Exponaten sowie Infotexten sorgfältig aufbereiteten Ausstellung bildet das Bild eines Bären, der mit einer Ballerina samt Malerpalette tanzt. Thomas Thorausch, stellvertretende Leiter des Tanzarchivs, erklärt diese von Oppler gezeichnete Einladung zu einem Ball der Berliner Secession: „Der Berliner Bär erhält seinen Erweckungskuss von der tanzenden Malerei.“ Oppler war Gründungsmitglied der Berliner Secession, der Künstler wie Max Liebermann, Max Beckmann, Ernst Barlach, Wassily Kandinsky, Lyonel Feininger angehörten und die die Klassische Moderne bzw. den sogenannten ‚Berliner Impressionismus‘ entwickelte.
Im letzten Raum der Ausstellung wird Opplers Atelier angedeutet, unter anderem mit Kleidungsstücken der 1920er Jahre. Der charmante Gastgeber veranstaltete Atelierfeste, deren Einladungskarten er entwarf und zu denen die gehobene Berliner Gesellschaft kam. Er selbst liegt in einem Berliner Ehrengrab bestattet, sein Nachlass wird jedoch in Köln aufbewahrt. Zu der sehenswerten Ausstellung findet ein umfangreiches Begleitprogramm mit Führungen, russischen Tanzminiaturen und Workshops statt.
„Berliner Secession und Russisches Ballett: Ernst Oppler“ | bis 28.1.18 | Deutsches Tanzarchiv Köln im Tanzmuseum | Im Mediapark 7, 3. OG | 0221 88 89 50
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