Die Weltklimakonferenzen und die dazu gehörigen Sachstandsberichte kommen mit schöner Regelmäßigkeit. 2015 ist es in Paris wieder soweit, und man kann sicher sein, dass das Eindrücklichste wieder das Schachern um die erlaubten Emissionen sein wird. Dabei lässt der neueste Weltklimabericht, der gerade in Kopenhagen verabschiedet wurde, keinen Zweifel: Erderwärmung, Treibhausgase, Übersäuerung der Ozeane, steigender Meeresspiegel, alles hand-, sprich: menschengemacht. So deutlich und mit Zahlen zuhauf unterfüttert war kein Bericht zuvor – und auch so eindeutig in der Aussage. Ob es etwas nützt, darf bezweifelt werden. Natürlich sitzen die Bösen allesamt in den Schwellenländern und die Guten in den Industrienationen, besonders im ökoversessenen Deutschland. Dabei würden schon zwei Grad weniger helfen! Da muss doch was zu machen sein.
Benjamin Lauterbach weiß sogar, wie. In seinem Stück „Der Chinese“, das am Theater im Bauturm herauskommt, haben die Deutschen das Ökoparadies, naja eigentlich eine Ökodiktatur, schon erschaffen. „Wollt ihr den totalen Öko?“, lautete die einfache Frage. Da haben die Deutschen einfach mal wieder „Ja“ gesagt und auf alles verzichtet, was mit Freiheit zu haben könnte. Rauchen ist genauso verboten wie Trinken, Smartphones sind out, Kunststoff sowieso, an allen Ecken und Ende nachhaltigt es kräftig. Die Gebete bei Tisch singen nicht mehr das Lobpreis Gottes, sondern lauten „Danke Aal. Danke Makrele. Danke Krebse. Danke Gurke.“Und nun kommt Herr Ting aus dem verzweifelten China zu Besuch in eine typisch deutsche Musterfamilie, um sich ein Bild vom deutschen Garten Eden zu machen und bringt natürlich alles aus dem Gleichgewicht.
Zum deutschen Ökowahn gehört unbedingt auch die Liebe zu Tieren. Liebe? Eher Vergottung inklusive Charta der unveräußerlichen Tierrechte. Angela Richter hatte am Schauspiel Köln einen neue Produktion „Liebe deine Tiere wie dich selbst“ auf der Basis von Interviews, Gesprächen und Recherchen geplant – daraus wird leider nichts. Sehr gerne hätten wir den tierischen Wahnsinn in Originaldokumenten verfolgt, aber wir müssen uns bis zur nächsten Spielzeit gedulden. Wenn schon nicht das Klima, können wir dann wenigstens den deutschen Goldhamster retten?
Wenn der Niedergang also klar ist, bleibt nur noch eins: die Party. In Bonn hat Anfang Oktober der Kongress „Save the World“ stattgefunden, mit dabei der Regisseur Patrick Wengenroth, der jetzt zum Tanz auf dem Vulkan einlädt. „Die letzten hundert Jahre der Menschheit“, so ist seine philosophische Endzeit-Revue am Theater Bonn betitelt. Und wie immer, wenn die Lage aussichtslos erscheint, fällt der Blick zurück auf die Zeit, als alles angefangen hat, mit dem Klima und so. Mentale Selbstgeißelungen gehen einher mit philosophischem Delirium und Querfeldeinjagden in der Popschonung. Auch der Niedergang hat schließlich etwas Erhabenes. Man muss auch den Verfall feiern können, es könnte schließlich der letzte sein – und am Ende wirklich alles gut werden.
„Die letzten hundert Jahre der Menschheit“ | R: Patrick Wengenroth | Theater Bonn | 8.2.(P) 19.30 Uhr |0228 77 80 08
„Der Chinese “ | R: Rüdiger Pape | Theater im Bauturm | 11.4.(P) 20 Uhr | 0221 52 42 42
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