Charles Burns hat sich immer wieder mit der sogenannten Teenage Angst auseinandergesetzt, nicht zuletzt in seinem Epos „Black Hole“. Sein neuestes Werk ist ebenfalls größer angelegt, in Deutschland und Frankreich erscheint mit „Daidalos“ nun vorab der erste Teil als Einzelband: Er begleitet Burns Alter Ego Brian dabei, wie er Laurie kennenlernt. Obwohl – freuen ist vielleicht das falsche Wort. Denn die Annäherung ist holprig und voller Unsicherheiten und gleitet bei Brian immer wieder in alptraumhafte Szenarien ab, die an David Lynch erinnern … Nerd trifft Schönheit könnte die Überschrift dieser in satten Farben und klarem Strich gezeichneten Story lauten (Reprodukt).
Shane Simmons erzählt in seinem groß angelegten Epos „Das lange ungelernte Leben des Roland Gerthes“ von einem Bergarbeitersohn, der sich in der Unterschicht zwischen Lehrling, Soldat, Grubenarbeiter und Kriegsversehrter durch das Leben schlägt. 1860 geboren, Ende der 1940er Jahre gestorben, erlebt er die Klassenunterschiede mit seinen sozialen Ungerechtigkeiten, den Krieg mit seinen Grausamkeiten, die Religion mit seinen Absurditäten und das Familienleben mit allen Aufs und Abs. Als grafischen Gesellschaftsroman konnte Simmons das nur umsetzen, indem er die sprechenden Figuren nur als Punkt vor weißer Fläche gezeichnet hat, die bissig-ironischen Dialoge darüber. Das funktioniert bei aller Abstraktion ausgesprochen gut. Es ist zu hoffen, dass der avant-verlag auch die beiden anderen sogenannten „Longshots“ von Simmons mit Biografien eines Enkels und eines Großvaters von Roland Gerthes veröffentlicht.
Auch der „Der Araber von morgen“ ist eine Biografie – sogar eine Autobiografie. Der Comiczeichner und Filmregisseur Riad Sattouf erzählt von seiner Kindheit als Sohn einer Französin und eines zunehmend extremistischen Arabers zwischen Syrien, Saudi-Arabien und der Bretagne. Der vierte und mit 280 Seiten bislang dickste Band umfasst „Eine Kindheit im Nahen Osten (1987 – 1992)“ und ist der bisherige Höhepunkt der Reihe. Zwischen Culture-Clash, religiösem Irrsinn und Liebesnöten begleiten wir den kleinen Riad durch emotionale Höhen und Tiefen (Penguin Verlag).
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Gertrude, Celeste und all die anderen
Progressive Frauen in Comics – ComicKultur 02/24
Neurosen und Psychosen
Künstler und Kriminelle mit Dachschaden – ComicKultur 09/17
Freundliches Grauen
Komische Kindheit, spießiges Strandleben und nette Skelette – ComicKultur 08/16
Salonfähige Comics
Hierzulande ist der Comic keine Männerdomäne – ComicKultur 07/16
Autoren-Action
Fiktive und dokumentarische Spannung jenseits von Superhelden – ComicKultur 05/15
Über Weltschmerz sprechen
„Alles, was wir tragen können“ von Helen Docherty – Vorlesung 04/25
Erinnerungskultur
Gegen Vergessen und für Empathie – ComicKultur 04/25
Ein wunderbarer Sound
Natalia Ginzburgs Roman „Alle unsere Gestern“ – Textwelten 04/25
Verlustschmerz verstehen
„Als der Wald erwachte“ von Emma Karinsdotter und Martin Widmark – Vorlesung 03/25
„Schon immer für alle offen“
Marie Foulis von der Schreibwerkstatt Köln über den Umzug der Lesereihe Mit anderen Worten – Interview 03/25
Cool – cooler – Aal
„Egal, sagt Aal“ von Julia Regett – Vorlesung 03/25
Aus dem belagerten Sarajevo
„Nachtgäste“ von Nenad Veličković – Literatur 03/25
Die Geschichte der Frau
Ein Schwung neuer feministischer Comics – ComicKultur 03/25
Der legendäre Anruf
Ismail Kadares Recherche über Stalin und Boris Pasternak – Textwelten 03/25
Internationales ABC
„A wie Biene“ von Ellen Heck – Vorlesung 02/25
Zwei Freunde
„Am Ende der Welt“ von Anna Desnitskaya – Vorlesung 02/25
„Afrika ist mehr als Hunger und Krieg“
Autor und Influencer Stève Hiobi über sein Buch „All about Africa“ – Interview 02/25
Wem gehört Anne Frank?
„Immer wenn ich dieses Lied höre“ von Lola Lafon – Literatur 02/25
Schrecklich komisch
Tove Ditlevsens Roman „Vilhelms Zimmer“ – Textwelten 02/25
Aufwändige Abschlüsse
Comics, die spannend Geschichten zu Ende bringen – ComicKultur 02/25
Unsichtbare Krankheiten
„Gibt es Pflaster für die Seele?“ von Dagmar Geisler – Vorlesung 01/25
Massenhaft Meisterschaft
Neue Comics von alten Hasen – ComicKultur 01/25
Gespräch über die Liebe
„In einem Zug“ von Daniel Glattauer – Textwelten 01/25
Mit KI aus der Zwangslage
„Täuschend echt“ von Charles Lewinsky – Literatur 01/25
Kampf den weißen Blättern
Zwischen (Auto-)Biografie und Zeitgeschichte – ComicKultur 12/24