Marc-Antoine Mathieu ist nicht zuletzt durch seine Reihe über den Büroangestellten Julius Corentin Acquefacques bekannt für seine kafkaesken Geschichten, die mit Narrationsexperimenten den Leser in Atem halten: Sein neustes Werk „Otto“ handelt von einem Performancekünstler, der sein eigenes Ich ergründet, und erforscht das Sein zwischen subjektiver und objektiver Wahrnehmung. Anders als bei der Julius-Reihe steht nicht das formale Experiment im Mittelpunkt, das dann zu allerlei Gedankenspagat führt, sondern der philosophische Gedankenspagat an sich. Die Schlagseite wird zwar durch die Bebilderung mit allegorischen Zeichnungen kompensiert, die ästhetische Begeisterung für die Julius-Reihe mag sich dieses Mal aber nicht vollständig einstellen (Reprodukt). Mit „Der Schnabelprinz“ erscheint schon wieder eine Sammlung mit Geschichten über „The Artist“. Anna Haifisch widmet sich in ihren allegorischen, surrealen Stories, die u.a. in Vice erscheinen, den Neurosen der zartbesaiteten Künstlerseele. Tragikomische Kleinode mit Hang zu hysterischer Depression – schon einzigartig (Reprodukt).
Schon in seiner Anfangszeit, als Star der Undergroundcomix der späten 60er Jahre, hat Robert Crumb alles dafür getan, nicht dazu zu gehören, wozu auch immer. Seine selbstverlegten Comix waren nicht nur Angriffe auf die bürgerliche Moral, sondern auch auf die moralischen Werte der Hippies. Es half nichts – er wurde berühmt und berüchtigt. Als sein unmoralischer Held „Fritz the Cat“ durch die gleichnamige Filmadaption zur Symbolfigur der Kiffer und Gammler wurde, gefiel ihm das gar nicht. Er killte Fritz und brachte sich viele Jahre vor dem Boom autobiografischer Stoffe nun selbst in seine immer noch moralisch widerständigen Geschichten ein. Als vierter Band der groß angelegten Werkschau bei Reprodukt erscheint jetzt die bis dato umfangreichste deutsche Ausgabe mit Geschichten des omnipotenten, kiffenden „Fritz the Cat“.
Starke Protagonistinnen: Stéphane Oiry und Lewis Trondheim reiten ihre charmant griesgrämige Hauptfigur „Maggy Garrison“ mit dem zweiten Band „Der Mann in meinem Bett“ immer mehr in die Scheiße. Naja, dafür hat die ungelernt angehende Detektivin ihre düstere Umgebung noch ganz gut im Griff und erhält sich sogar ihren schwarzen Humor. Sehr schöne Reihe, gerne mehr davon (Schreiber & Leser). „Paper Girls 2“ setzt das toll geschriebene Mädchenabenteuer von Brian K. Vaughan und Cliff Chiang mit SF-, Fantasy- und Splatter-Elementen fort. Die vier Zwölfjährigen wurden aus dem Jahr 1988 ins Jahr 2016 katapultiert und treffen dort nicht nur ihre Erwachsenen Ichs, sondern auch absonderlichste Monster, die die Welt in Schutt und Asche legen wollen. Daneben gibt es noch gottähnliche Typen, die ihren ganz eigenen Plan verfolgen. Ein großer Spaß und zu Recht jetzt schon mit Preisen überhäuft (Cross Cult). 1988 haben Autoren-Star Alan Moore und der Zeichner Brian Bolland einen Klassiker des Superhelden-Genres geschaffen. „Batman – Killing Joke“ entstand in einer Zeit, als Autoren wie Moore und Frank Miller die Schattenseiten der Superhelden ergründeten. In „Killing Joke“ liefern sich Batman und Joker ein Duell, das am Ende beide als traumatisierte Opfer ihrer Vergangenheit zurücklässt. Die neukolorierte Version der Geschichte ist nun als großformatige Luxusausgabe erschienen (Panini).
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