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Zurück im Britney: Charlotte Sprenger und Matthias Köhler
Foto: Jan Schliecker

„Angst vor dem Anderssein“

29. April 2018

Charlotte Sprenger und Matthias Köhler über das Diversity-Festival Britney X – Festival 05/18

Oops!...Sie macht es nochmal. Britneys ehemalige Kuratoren, die Regisseure Matthias Köhler und Charlotte Sprenger, wollen es nochmal wissen. Frech und tiefsinnig, laut und leise, mal Tanz, mal Theater, mal Party, mal irgendwas dazwischen – so und auch ganz anders will das Britney X Festival - Vol. 2 feiern, was nicht in die üblichen Schubladen passt: Vom 10. bis 13. Mai können alle gesellschaftlichen Vorkämpfer*innen Mut tanken. Es wird vor allem der Unterdrückung, den sexuellen Kategorien und Denkmustern von vorgestern samt Patriarchat mitten in Köln eine Absage erteilt. – Ups!

choices: Schön, dass ihr zurück seid. Was habt ihr vom ersten Britney X Festival an Eindrücken mitgenommen?
Charlotte Sprenger: Total schön war, dass die Stimmung des Festivals im Theater und im Publikum aufgenommen wurde. Man hat gemerkt, dass die Leute Lust drauf haben, auf eine Mischung aus Diskurs und Kunst und auch Pop. Es war unglaublich viel los hier die ganze Zeit, viel Leben, das Wetter war wunderschön – es gab ein richtiges Festivalgefühl. Darauf bin ich sehr stolz. Natürlich lernt man, vor allem wenn man etwas zum ersten Mal macht, aber das positive Gefühl des Gemeinsamen, was ja auch das Thema des Festivals war, das hat sich sehr stark auf die Stimmung übertragen.

In wessen Händen ist das Britney jetzt eigentlich?
CS: Das kuratiert die Dramaturgin Stawrula Panagiotaki vom Schauspiel Köln. Sie unterstützt uns auch bei allem, was die Fortsetzung des Britney X angeht und gibt uns sozusagen den Raum, uns frei zu entfalten und unseren Ideen nachzugehen.

War schnell klar, dass es ein zweites Britney X geben würde?
Matthias Köhler: Der Wunsch war gleich nach dem ersten da, weil es eigentlich schön gelaufen ist – sowohl für die Künstler*innen als auch die Besucher*innen, und auch das Haus war zufrieden. Im Oktober haben wir unser zweites Konzept gepitcht, wie wir uns die Fortsetzung vorstellen, und im Januar hatten wir dann die feste Zusage.
CS: Seit Spielzeitbeginn war eigentlich mehr oder weniger klar, dass wir alle es noch einmal machen wollten.

Was war so ungefähr euer Pitch?
CS: Wir sind erstmal von demselben Gedanken ausgegangen wie im letzten Jahr, dass sich die politische Lage in Europa zuspitzt, aber auch in Amerika und anderswo, dass es gerade in so einer Situation wichtig ist, sich mit diesen Themen weiter zu beschäftigen und ihnen vor allem eine Öffentlichkeit zu geben.


Tucké Royal spielt Queer Memory, Foto: Itaya Diehl

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Fragen des Geschlechts und Rechtspopulismus?
MK: Es geht letzten Endes um Identität, mit der Politik gemacht wird, ob es jetzt Geschlechtlichkeit ist oder Sexualität oder Hautfarbe – all das ist Voraussetzung dafür, um sich in diese anderen rechten Normativen reinzudenken.
CS: Die rechte Vorstellung geht ja oft von einem sehr homogenen Menschenbild aus: Alle sollen gleich sein, der Mann so, die Frau so, Schwule sollen sich so und so benehmen, dürfen nicht heiraten... Transsexuelle werden in Amerika gerade aus dem Militär verbannt, und von Hautfarben müssen wir, glaube ich, gar nicht anfangen zu sprechen.

Aber das sind erstmal nur konservative Ansichten.
CS: Der Rechtspopulismus nimmt diese konservativen Ansichten und treibt sie noch viel mehr auf die Spitze. Wenn man die Gedanken der AfD dazu liest, wie sich Männer und Frauen entwickeln sollen, dass es einfach ungesund und „unnatürlich“ sei – was auch immer das heißen soll –, wie sich die Frau und der Mann entwickeln, wenn man solche Dinge wirklich ernst nimmt, kommt man, glaube ich, schnell in faschistoide Gedankenstrukturen.
MK: Populismus funktioniert ja grundsätzlich über ein „Wir gegen die Anderen“ und wir versuchen während des Festivals – was natürlich an vier Tagen illusorisch ist – einen breitgefächerten Überblick über das sozusagen Andere zu geben.

Habt ihr zu den Themen Unterdrückung und Ausbeutung einen persönlichen Zugang?
MK: Charlotte ist Frau, ich bin schwul. Das ist die kürzeste Antwort.
CS: Ja, und auch grundsätzlich eine tiefe Überzeugung von dem idealistischen Ziel, dass das „Anderssein“ in das „Wir“ reinkommt, dass man eben „ohne Angst verschieden“ ist – wie Adorno so schön sagt und was Pinar Karabulut in ihrem Stück „Vaterland“ zitiert hat. Da kriege ich immer noch Gänsehaut, wenn ich diesen Satz höre. Diese Angst vor dem Anderssein ist, glaube ich, auch für die Kunst tödlich.


Die Gaddafi Gals aus München trip-hoppen ganz wie sie wollen, Foto: Malik Abdoulayi

Wen vom letzten Jahr holt ihr, weil es so gut war, noch einmal zurück?
MK:
Wieder zu Gast ist Mithu Sanyal, aber in etwas veränderter Form. Sie hat letztes Mal ja einen Vortrag über ihre eigene Arbeit, über „Vergewaltigung“ gehalten, und diesmal leitet sie am Freitag und Samstag im Saal zwei größer angelegte Gesprächspanels. Beim einen geht es um Sexarbeit und das neue Prostituiertenschutzgesetz, beim anderen um Maskulinitäten und Männlichkeitsbilder. Uns war es wichtig, auch dazu etwas zu haben, aus der Überzeugung heraus, dass man Mädchen und junge Frauen emanzipatorisch und feministisch erziehen muss, aber es bringt eben auch nichts, wenn wir nicht parallel den Jungs erklären, was es bedeutet, ein Mann zu sein.

Im Programm läuft alles schön nacheinander ab, nur „Clockwork Orange“ von dir überschneidet sich mit dem Stück „real fake“.
CS: Ja genau, „Clockwork Orange“ läuft im Theater der Keller, und Matthias Köhler hat am Bauturm eine Inszenierung gemacht, „Michael Kohlhaas – I’m every woman“. Und wir haben schon im Saal und im Foyer ein paar Sachen parallel, aber es ist dispositorisch nicht so einfach, deswegen haben wir versucht, dass man die Programmpunkte einigermaßen nacheinander anlegt.
MK:
Das Schöne ist, Charlotte hat bei „Clockwork Orange“ mit fünf Männern gearbeitet und ich habe bei „Kohlhaas“ mit vier Frauen gearbeitet, und das finde ich schon einen schönen Kontrast für die beiden Abende.
CS: Und ich glaube, beide Abende beschäftigen sich auf sehr unterschiedliche Weise mit Gewalt. Und ich habe mich sehr stark mit dem Männlichkeitsbild befasst und Matthias in seiner Arbeit mit der Frau, die gewalttätig wird. Das sind thematische Parallelen.
MK: „Kohlhaas“ ist in der Story ein Widerstandskämpfer, ihm geschieht Ungerechtigkeit, und im Zuge der Selbstjustiz fängt er selbst an Städte in Schutt und Asche zu legen und zu morden. Aber bei mir wird gefragt: Was passiert eigentlich, wenn sozusagen die „every woman“, also sämtliche marginalisierte Gruppen, zu gewaltvollem Widerstand aufrufen.


„Bilder deiner großen Liebe“ mit Marie Rosa Tietjen in Eigenregie, Foto: Krafft Angerer

Ihr eröffnet zusammen auch die Ausstellung „MehrWert? GleichWert!“ im Foyer.
MK: Die ist vom Holla e.V. aus Köln, eine Fotoausstellung, die auch als Wanderausstellung funktioniert und bereits an verschiedenen Orten war. Sie spielt relativ naiv, aber dadurch sehr deutlich mit Stereotypen. Was am meisten für Aufsehen sorgt, sind Porträtaufnahmen von Menschen, etwa von einer Nonne und einer Muslima mit Kopftuch. Oder ein anderes Beispiel: Wie stellt man sich ein lesbisches Mädchen vor und wie stellt man sich ein heterosexuelles Mädchen vor?

Was sind für euch thematisch zentrale oder künstlerische Highlights?
CS: Die Produktion „real fake“, die wir zeigen, ist aus dem Repertoire des Schauspiel Köln, vom Import Export Kollektiv – ich hebe das jetzt einfach hervor, weil da wahnsinnig viele junge Menschen auf der Bühne stehen, die eigentlich alle Themen auf ihre Weise behandeln, die wir auch im Festival haben. Gleichzeitig ist natürlich die Eröffnung mit dem Tanzgastspiel von Trajal Harrell großartig, das wir mit Unterstützung der Tanzkuratorin von den Bühnen Köln, Hanna Koller, realisieren konnten – sie hat uns geholfen, diesen tollen Choreografen und Tänzer zu bekommen, der sich schon sehr lange mit Voguing und modernem Tanz auseinandersetzt. Der ist wirklich ein Star, wenn man das so sagen kann.

Was ist nochmal...?
MK: Voguing ist ein Tanzstil, der sich in den 80er Jahren in der schwarzen, schwulen Community in New York entwickelt hat und sich vom Modemagazin Vogue ableitet. Das fand in kleinen Ballrooms statt, die waren ein „safe space“, wo die Jungs mit Ausdruck ihrer femininen Seite und mit verschiedenen Posen, wie sie das von Fotoshootings kannten, angefangen haben, zu tanzen.
CS: Das hat eine politische Ebene. Diese „Voguing Houses“ sind wirklich wie Mutterhäuser, der Tanz fungiert als ein Zuhause im Angesicht von Diskriminierung und Schwierigkeiten in den Elternhäusern.
MK:
Es hat viel mit Empowerment und Befreiung zu tun – dass du einen Ort findest, wo du sein kannst, wie du bist.

Worauf seid ihr denn neugierig, weil ihr noch nicht wisst, wie es wird?

MK: Ich freu mich auf Trajal Harrell, ich glaube, dass das sehr gut wird, aber ich habe ihn noch nie live gesehen.
CS:
Ich freue mich sehr auf die Produktion „Bilder deiner großen Liebe“, die ich in Hamburg am Thalia Theater gesehen habe, das ist ein Abend, der mir persönlich sehr am Herzen liegt, einer, der sehr unaufgeregt ist, sehr fein, sehr klein, aber er hat eine unglaubliche Kraft und hat mich selber extrem berührt. Deswegen bin ich gespannt, wie die Leute in Köln drauf reagieren.

Es geht ja auch um Sexualität bis hin zur Pornografie – ab welchem Alter empfehlt ihr das Festival?
MK: Ab 14. Nur „It’s Just Porn Mom!“ muss wahrscheinlich FSK 18 sein.

Britney X Festival – Vol. 2 | 10. - 13.5. | Britney, Außenspielstätte am Offenbachplatz | Festivalpass: 12€ inkl. ÖPNV | www.britney.koeln | 0221 221 284 00

Interview: Jan Schliecker

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