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Foto: Julien Eichinger / Adobe Stock

Blockaderat

02. April 2020

Zuständigkeitsstreit zwischen Bund und Ländern

„Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit“, heißt es nüchtern in Artikel 50 des Grundgesetzes. Die Länder regieren mit, wenn der Bund Politik machen will. Grundsätzlich ist das eine vernünftige Idee: Denn während der Bund die meisten Gesetze macht, machen die Länder – bis auf ganz wenige Ausnahmen – die Verwaltung. Wenn also die Abgeordneten in Berlin Gesetze machen, sitzen sie ganz schön weit weg von deren praktischer Umsetzung. Darum müssen die Länder zustimmen, so der Grundgedanke.

Die föderale Idee hinter dem Ganzen ist also eine Art Anwendungsoptimierung für Gesetzte. Doch der Abstimmungsbedarf ist bei 16 Landesregierungen gewaltig bei den Zustimmungsgesetzen – also jenen, die auf jeden Fall von einer Mehrheit der Länder im Bundesrat bejaht werden müssen, um in Kraft zu treten. Und das sind nicht wenige. In den ersten 15 Legislaturperioden der Republik waren das rund 53 Prozent der Gesetze. Ein häufig formulierter Vorwurf lautet aber, dass der Bundesrat den Bund blockiere.

Vor allem Steuerreformen wurden immer wieder zu Fall gebracht, denn in Finanzangelegenheiten müssen die Länder zustimmen. So kam es auch, dass der Bundesrat Mitte der 1990er-Jahre eine Art sozialdemokratische Nein-Sage-Maschine wurde. Der damalige SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine (heute: Die Linke) wollte die Regierung unter Helmut Kohl aus dem Amt jagen und blockierte, was zu blockieren ging. Das Gezeter der Union war laut, aber auch scheinheilig. Denn erfunden hatte die Bundesrats-Blockade die Union selbst, als sie in den 1970er-Jahren das Bremspotenzial der Länderkammer gegenüber der sozialliberalen Koalition entdeckte.

Seither heißt es immer wieder: Bundesrat gegen Bundestag. Und Ideen, die einmal in der Welt sind, verschwinden nicht mehr: Auch Gerhard Schröder (SPD) musste mit einem Bundesrat anderer Couleur zurechtkommen. Ein Ausweg waren aber Deals. So wollten CDU/CSU 2000 die rot-grüne Unternehmenssteuerreform eigentlich blockieren. Doch Schröder erkaufte sich die Zustimmung des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Eberhard Diepgen (CDU), mit dem vom Bund finanzierten Olympiastadion. Blockade durchbrochen!

Eine Besonderheit ist die Bundesratsklausel: Können sich die Koalitionäre einer Landesregierung nicht auf eine Position verständigen, enthält sich das Land. Enthaltungen wirken aber wie Neinstimmen, was zum Blockadepotenzial beiträgt. 2006 sollte dann die Föderalismusreform weitere Blockaden reduzieren, mehr Raum schaffen für den Bund, aber auch für die Länder, in Eigenregie zu entscheiden.

Die Reform war ein großes Tauschgeschäft von Kompetenz gegen Kompetenz. Die Bürger merkten das vor allem an den Ladenöffnungszeiten, die seither von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sind. Auch die Gehälter von Lehrern oder anderen Landesbeamten sind seither ausschließlich Ländersache. Im Gegenzug verzichten die Ministerpräsidenten auf einige Mitbestimmungsmöglichkeiten, wenn der Bund Gesetze macht. Der Anteil der zustimmungsbedürftigen Gesetze hat sich in der 16. Wahlperiode (2005-2009) von zuvor rund 53 Prozent auf 41,8 Prozent und der 17. Wahlperiode (2009-2013) auf 38,3 Prozent verringert. Seither steigt der Anteil aber wieder, und auch die Verflechtungen nehmen wieder zu. Das macht vor allem der Digitalpakt vom vergangenen Jahr deutlich: Schulgebäude werden von den Kommunen finanziert, Lehrer vom Land – das auch die Inhalte bestimmt – und die digitale Ausrüstung kommt in Zukunft vom Bund. Blockaden sind vorprogrammiert.


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