Die Arbeiten von Oscar Tuazon sind im Museum Ludwig nicht zu übersehen: Sie sind lebensgroß, sperrig, stehen und liegen massig im Raum. Sie wirken wie vorübergehend abgestellt, überhaupt fehlt ihnen – auf den ersten Blick – jede Attraktivität. Nein, in diesem Museum, das sich auf zeitgenössische Kunst spezialisiert hat, scheinen sie nichts mit Kunst zu haben… Tatsächlich ist Oscar Tuazon – wie auch Louise Lawler, die zuvor hier ausgestellt hat – ein Künstler, der sich ganz besonders mit dem Museum, seiner Struktur und seinen Funktionsweisen auseinander setzt. Und hat sich Louise Lawler mit ihren Beiträgen auf die Kunstwerke der Sammlung bezogen, so lässt sich Tuazon jetzt vor allem auf die Architektur des Museums ein. Er reagiert auf diese, richtet seine Arbeiten zwischen Skulptur und Bauteil an dieser aus, fügt sie an diese an und lässt im Übrigen die verschiedenen Partien seiner Ausstellung interagieren.
Tuazons Ausstellung erstreckt sich vom Untergeschoss bis ins zweite Obergeschoss, auch auf der Terrasse ist eine Arbeit zu sehen. Dort hat er die Drehtür, die den Übergang zwischen drinnen und draußen markiert, als (nun zweckfreies) Gestell wiederholt und mit dem lackierten Weiß der T-Träger und den Glasscheiben auf Perfektion und Funktion getrimmt. Als Skulptur ist sie auf Steinen erhöht, die ihrerseits den Boden duplizieren: Das ist vielleicht die „eindeutigste“ seiner Arbeiten zwischen Architektur, Intervention und Skulptur. Allen seinen Beiträgen in Köln ist gemeinsam, dass sie aus einfachen Baumaterialien bestehen und wie Fragmente der Realität wirken. Sie sind am Menschen orientiert, teils auch begehbar, verfügen dadurch jeweils über eine bestimmte Größe, die folglich die physische Erfahrung notwendig macht und sie sind präzise Setzungen im vorgegebenen Raum.
Im Foyer im Erdgeschoss liegt direkt neben der Theke ein Element, das wie eine Mauer aus einem Haus wirkt, mit einer weißen Tür. Eingelassen in die Steinwand ist eine Folge von Milchglasscheiben und zwei Stockwerke darüber ist, anders positioniert, das gleiche Element noch mal zu sehen. Oder ist es lediglich ähnlich? Die beiden liegenden „Wandstücke“ scheinen zum Gebäudeausschnitt aus zwei Hauswänden zu gehören, der im Treppenhaus zwischen dem ersten und dem zweiten Obergeschoss platziert ist, wobei die Längswand die Treppe trennt und wir über die Stufen bis zum obersten Stein laufen. Dabei stellen sich überraschende Perspektiven ein, etwa wenn sich durch die Fensterscheibe das Geländer zu spiegeln scheint, aber doch der reale Aufgang auf der anderen Seite ist. Und schließlich setzt Tuazon hier die Fragmente eines privaten Wohnhauses in einen öffentlichen Raum.
Oscar Tuazon wurde 1975 in Seattle geboren, er lebt in Paris und Los Angeles. Seit seiner Teilnahme an der Biennale Venedig 2011 ist er in der internationalen Kunstszene etabliert. Der Reiz seiner Werke liegt im vermeintlich „Groben“ der Teile und Oberflächen, die von Baumaßnahmen übrig geblieben scheinen, und er liegt in ihrer präzisen Anpassung an die bestehende lokale Situationen, in dessen Hinblick sie tatsächlich geschaffen sind. Auch unternimmt Tuazon Referenzen an die jüngere Kunstgeschichte mit Minimal und Land Art und ortsspezifischer Skulptur. Deswegen ist es besonders sinnvoll, dass sich sein Werk im Untergeschoss, wo es schon länger aufgebaut ist, ganz in der Nähe zur Sammlung der amerikanischen Kunst der 1960er Jahre befindet: Es führt dazu, dass wir im Sammlungstrakt Richard Artschwagers „Janus III (Elevator)“ (1983/2005), der aus einem weißen Kubus mit einer grauen geschlossenen Tür besteht, neu wahrnehmen. Langweilig, trocken? Nein, ganz und gar nicht. Tuazon liefert einen faszinierenden Blick auf das vermeintlich vertraute Museum Ludwig. So spannend kann Kunst sein, wenn sie im Wege steht.
„Oscar Tuazon – Alone In An Empty Room“ | bis 13.7. | Museum Ludwig | 0221 16875139
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