In Sachen Planungsdesaster befindet sich Köln in guter Gesellschaft. Regelmäßig werden bei großen Bauprojekten in NRW die angepeilten Kosten überschritten. Am spektakulärsten dürfte der Bau des Landesarchivs in Duisburg durch Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB) sein. Verpasste Fristen beim Kauf des Grundstücks im Duisburger Innenhafen, ein geplatzter Mietdeal mit der Essener Immobilienfirma Kölbl & Kruse inklusive Schadenersatz sowie geschönte Gutachten ließen die Kosten von ursprünglich 42 Millionen Euro auf über 190 Millionen steigen. Und dann ist da noch der Korruptionsvorwurf gegen den gefeuerten BLB-Chef Ferdinand Tiggemann. Aber auch ohne Korruption ist eine Kostenexplosion der Regelfall – egal ob es sich um eine Brücke über die A31 handelt oder um ein Leuchtturmprojekt wie den Dortmunder U-Turm, der anstatt der angepeilten 55 letztlich 84 Millionen Euro kostete.
Kostensteigerungen als Resultat bewusster Täuschung
So „unvorhergesehen“, wie Verantwortliche in der Regel behaupten, sind diese Kostensteigerungen nicht. Das meint zumindest der Ökonom Bent Flyvbjerg, der in Oxford über Großbauprojekte forscht. Budgetüberschreitungen sind die Regel, bei Straßen betragen sie 20 Prozent, bei Brücken 33 Prozent und bei Bahnprojekten 44 Prozent. Diese Zahlen ließen sich nicht mit Fehlern in der Berechnung der Kosten erklären oder dadurch, dass die Verantwortlichen in der Euphorie über ihr Projekt mögliche Probleme verdrängen würden, so Flyvbjerg. Stattdessen seien sie meist ein Produkt bewusster Täuschungen. Teilweise seien Angestellte in öffentlichen Institutionen von ihren Vorgesetzten dazu angehalten worden, Berechnungen über die Kosten nach unten und Prognosen über eine mögliche Auslastung nach oben zu kalkulieren. Und bei öffentlichen Ausschreibungen werde ein Kostenrahmen bewusst zu niedrig angesetzt, um den Zuschlag zu erhalten. Flyvbjerg fordert deshalb nicht nur mehr Transparenz bei öffentlichen Großbauprojekten und eine Kontrolle durch Dritte (z.B. Wissenschaftler), sondern auch eine Haftung des Privatsektors, der – siehe Landesarchiv – die öffentliche Hand gerne als eine Art kostenfreie Rückversicherung für potentielle Verluste nutzt.
Denn gerade bei Infrastrukturprojekten wie Eisenbahn- oder Straßenbau zeigt sich, dass private Firmen nicht immer die günstigere Wahl sind. Die Erweiterung der A1 zwischen Hamburg und Bremen wird von einem Konsortium um das Bauunternehmen Bilfinger durchgeführt, das im Gegenzug einen Anteil der LKW-Maut für diesen Abschnitt erhält. Die Baustelle ist 72 km lang, dadurch kann schneller und effizienter gebaut werden; weil Autofahrer aber mehr Zeit auf den schmalen Fahrbahnen verbringen müssen, erhöht sich im Gegenzug das Unfallrisiko. Die „Zeit“ bezeichnete diesen Streckenabschnitt als „Deutschlands gefährlichste Straße“. In NRW hat die rot-grüne Landesregierung 2011 den Ausbau der A1 zwischen Münster und Lotte/Osnabrück, der über eine ähnliche öffentlich-private Partnerschaft finanziert werden sollte, vorläufig gestoppt.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Das Unglück soll erfahrbar werden“
Die Initiative ArchivKomplex plant das Gedenken an den Archiveinsturz – Thema 02/13 Schildbürger
„Niemand hat den Mut zu sagen, dass es zu teuer wird“
Für Ratsherr Thor Zimmermann haben Planungsfehler System – Thema 02/13 Schildbürger
Folge dem Trampelpfad
In Köln findet man Fehlplanungen vor allem im Alltag – Thema 02/13 Schildbürger
Die Zukunft fest im Blick
Pläne für U-Bahn, Dom, Philharmonie, Historisches Archiv … – THEMA 02/13 SCHILDBÜRGER
Ran an die Regeln
Intro – Verspielt
Es sind bloß Spiele
Teil 1: Leitartikel – Videospiele können überwältigen. Wir sind ihnen aber nicht ausgeliefert.
„Viele Spiele haben noch einen sehr infantilen Touch“
Teil 1: Interview – Medienpädagoge Martin Geisler über Wandel in der Videospiel-Kultur
Jenseits der Frauenrolle
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Spieldesignerin und Label-Gründerin Mel Taylor aus Köln
Werben fürs Sterben
Teil 2: Leitartikel – Zum Deal zwischen Borussia Dortmund und Rheinmetall
„Genießen der Ungewissheit“
Teil 2: Interview – Sportpädagoge Christian Gaum über das emotionale Erleben von Sportevents
Immer in Bewegung
Teil 2: Lokale Initiativen – Sportangebote für Jugendliche im Open Space in Bochum
Das Spiel mit der Metapher
Teil 3: Leitartikel – Was uns Brettspiele übers Leben verraten
„Ich muss keine Konsequenzen fürchten“
Teil 3: Interview – Spieleautor und Kulturpädagoge Marco Teubner über den Wert des Spielens
Zusammen und gegeneinander
Teil 3: Lokale Initiativen – Spieletreffs in Wuppertal
Spielglück ohne Glücksspiel
Gegen teure Belohnungen in Videospielen – Europa-Vorbild: Belgien
Spielend ins Verderben
Wie Personalmanagement das Leben neu definierte – Glosse
Wie gewohnt
Intro – Europa
Demokratischer Bettvorleger
Teil 1: Leitartikel – Warum das EU-Parlament kaum etwas zu sagen hat
„Die Bürger vor globalen Bedrohungen schützen“
Teil 1: Interview – Politikwissenschaftler Oliver Treib über Aufgaben und Zukunft der Europäischen Union
Zu Gast in Europas Hauptstadt
Teil 1: Lokale Initiativen – Die europäische Idee in Studium und Forschung an der Kölner Universität
Europäische Verheißung
Teil 2: Leitartikel – Auf der Suche nach Europa in Georgien
„Mosaik der Perspektiven“
Teil 2: Interview – Miriam Bruns, Leiterin des Goethe-Instituts Budapest, über europäische Kultur
Europa verstehen
Teil 2: Lokale Initiativen – Initiative Ruhrpott für Europa spricht mit Jugendlichen über Politik
Paradigmenwechsel oder Papiertiger?
Teil 3: Leitartikel – Das EU-Lieferkettengesetz macht vieles gut. Zweifel bleiben.
„Der Verkauf des Kaffees nach Europa ist gestoppt“
Teil 3: Interview – Sebastian Brandis, Sprecher der Stiftung Menschen für Menschen, über das EU-Lieferkettengesetz