Wo soll man beginnen bei diesem Projekt? Gleich einer Wurzel beginnt es in alle Richtungen neue Triebe zu entwickeln. Am Anfang stand vielleicht die mit dem Reprint des legendären Fotobuchs „Unter Kränenbäumen“ einsetzende Wiederentdeckung von Carl-Heinz Hargesheimer, der unter dem Namen Chargesheimer zu einem der Bildchronisten der jungen Bundesrepublik wurde. 1972 fand man ihn tot in seiner Wohnung im Belgischen Viertel in Köln. Dann transportierte der Verleger Markus Schaden im Zuge des 2014 gegründeten mobilen PhotoBookMuseum sein Werk rund um die Erde. Nach Stationen in Oslo, Krakau und Barcelona ging es nach Asien und Mexiko. Zuletzt wurde die Tauglichkeit des Mediums Fotobuch mit seinen mobilen Aktionen in Kassel, Duisburg und Rostock Lichtenhagen getestet, dort, wo die soziale Reibung in Deutschland besonders spürbar ist.
Chargesheimer fotografierte mit Unter Kranenbäumen eine Kölner Straße, das Chargesheimer-Projekt übertrug dessen Beobachtung eines urbanen Biotops auf die Körner Straße in Ehrenfeld. Wie verändert man die Stadt mit Fotografie? Nicht alleine damit, dass man Fotografien im Straßenraum platziert – das auch – aber darüber hinaus schaffen Feste die Bindung zwischen dem Medium und den Menschen. Einen Tunnel baute man in der Straßenmitte, auf dem Filme zu sehen waren. Der alte „Malerball“, eine Institution in Köln, auf der auch August Sander fotografierte, wurde wieder ins Leben gerufen. Ohne Einladungen zu verschicken, kamen aus dem Stand 1000 Menschen. Man kann sich im Fotostudio fotografieren lassen und es gibt die Jazz Bar mit Fotos von Louis Armstrong, Ella Fitzgerald oder Duke Ellington, selbstverständlich alles Aufnahmen von Chargesheimer.
Die Bar liegt im Bunker k101, der efeuumrankt ein unübersehbares Zeugnis deutscher Geschichte darstellt. Hier könnte ein Museum für Fotografie entstehen, mit Ausstellungsräumen und Café auf einem Dach mit Blick über Ehrenfeld. Kein Hort, in dem Fotokunst unter Verschluss gehalten wird, wie es an so vielen Stellen in Köln geschieht, sondern ein Zentrum lebendigen Austauschs gegenwärtiger Kunst. Eine Machbarkeitsstudie gibt es ebenso wie einen architektonischen Entwurf für die Nutzung des Gebäudes. Ein Projekt, das L. Fritz Gruber, dem Papst der Fotografie in der jungen Deutschen Republik, gefallen hätte. Er war der legendäre Netzwerker der Szene, seine Bibliothek mit gut 5000 Fotobänden existiert noch im angrenzenden Stadtteil Braunsfeld. Sie wäre eine ideale Basis für ein Museum der Fotografie.
Es zeichnet sich ab, dass Staatsministerin Monika Grüters ein Zentrum für fotografische Nachlässe in Düsseldorf installieren wird. Von einer veranschlagten Summe von 40 Millionen Euro wäre dann auszugehen. Da heißt es auch für Köln, der gewachsenen Fotostadt ohne Museum, zu handeln. „Hier liegt alles auf dem Silbertablett“, sagt Markus Schaden, der nur einer der Ideengeben im Team der Initiatoren des Bunker-Projekts ist. Der Bunker besitzt einen eigenen Verein, der sich dafür eingesetzt hat, das Gebäude als Kunstort zu erhalten. Tatsächlich würde das Konzept gelebter Fotografie dem Geist der Freien Szene entsprechen, die in Köln trotz chronisch schwieriger Bedingungen immer noch den Charakter der Stadt prägt.
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