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„La première fois“
Foto: Isabelle Meister

Wunder des Anfangs

01. April 2009

Das Théâtre En Flammes zeigt seine Produktion "La Première Fois" als neu erarbeitete Koproduktion beim Festival "Globalize Cologne" - Premiere 04/09

„Bei den ersten Wahlen meines Lebens habe ich sozialistisch gewählt, und meine Mutter hat mich gezwungen, nicht meinem Vater davon zu erzählen.“ So lautet ein Satz in der Produktion „La première fois“ der Gruppe Théâtre en Flammes. Im Rahmen des Festivals „Globalize Cologne“ kommt die Schweizer Gruppe nach Köln. Doch es geht nicht nur um ein Gastspiel. Zusammen mit dem Ensemble Futur3 erarbeiten sie eine neue Version ihrer erfolgreichen Produktion, das in deutscher und französischer Sprache vom Reiz des ersten Mals, aber auch der Erinnerung daran erzählt. Regisseur Denis Maillefer über die Jungfräulichkeit des Anfangs, die Zeremonien des Lebens und Wahrheit auf der Bühne.

choices: Denis, allem Anfang wohnt ein Zauber inne, heißt es bei Hermann Hesse. Worin liegt dieser Zauber?
Denis Maillefer:
Das Wunder des Anfangs, des ersten Males, liegt natürlich darin, dass es einmalig ist. Roland Barthes sagt über die Liebe, dass nur das allererste „Ich liebe dich“ einen wirklichen Sinn hat. Alle folgenden sind nur noch Versicherungen, die überzeugen wollen. Das erste Mal ist immer jungfräulich, nicht nur beim Sex, sondern bei allen menschlichen Erfahrungen, so groß oder klein sie auch seien.

Von welchen ersten Malen erzählen die Schauspieler im Stück?
Sie erzählen von allem: von den großen Zeremonien des Lebens, von den Phasen des Übergangs und ihren Riten, aber auch von kleinen Dingen wie dem Sonnenlicht an einem speziellen Tag, dem Geschmack eines Butterbrotes oder einem Blick, der wehtat. Dabei ist sehr wichtig, Schauspieler verschiedenen Alters auf der Bühne zu haben, da ihre Erinnerungen und Erfahrungen unterschiedlich sind. Die älteren Schauspieler verfügen über eine längere Liste an ersten Malen, die jüngeren sind noch näher an den Erfahrungen der Kindheit dran.

Jean-Luc Godard hat über einen seiner Filme gesagt, es sei sein 2. erster Film. Ist die Zurückversetzung in den Stand der „Unschuld“ nicht nur Wunschtraum?
Wir träumen eher von dieser Unschuld – aber manchmal können wir uns auch daran erinnern. Auf der Bühne ist es möglich, die Erinnerungen an oder sogar die wirkliche Empfindung von Unschuld wiederzufinden. Die Bühne erlaubt, ja fordert von uns, wieder in die starken Momente der Kindheit einzutauchen. Ich glaube daran, dass das Spiel auf der Bühne unschuldig und absolut gegenwärtig sein kann.

Wie habt ihr „Das erste Mal“ erarbeitet?
Wir sind von einer einfachen Vorgabe ausgegangen: Ein Chor von Schauspielern erzählt von den ersten Malen und versucht dabei, den Sinn, aber auch den Klang dieser ersten Male zu erfassen. Ich interessiere mich sehr für den musikalischen Aspekt der Sprache, nicht nur für die Geschichten mit ihren Anfängen und Enden. Die erste Probe ist immer schon eine kleine Aufführung für den Rest des Ensembles. Wir trainieren eigentlich wie eine Fußballmannschaft, wir spielen zusammen, ohne den Ausgang des Spieles zu kennen – wir haben kein Skript!

Basiert das Stück auf Improvisationen und den privaten „Geständnissen“ der Schauspieler? Gab es einen fertigen Text? Welche Rolle haben literarische Quellen gespielt?
Alles kommt von den Schauspielern, außer einige Haikus, die manchmal als Kontrapunkt zum Erzählten dazukommen. Die Geschichten in „La première fois“ sind wie die Geschichten in einem Roman, einem Film, einem Theaterstück. Es sind immer neue Varianten ähnlicher Gefühle. Das Gedächtnis erlaubt es uns, die ersten Male wieder wach werden zu lassen. Manchmal erinnern sich Schauspieler, wenn sie einem anderen und seinen Erinnerungen zuhören, an einen Moment in ihrem Leben, den sie vergessen haben. Aber die Schauspieler sagen auch nicht immer die Wahrheit...

Gibt es Vorbilder für deine Arbeit?
Ich habe vor einiger Zeit „The Show Must Go On“ von Jérôme Bel gesehen, das mir sehr gut gefallen hat. Ich mag es, Schauspieler auf der Bühne zu sehen, die von nicht viel mehr als ihrem eigenen Leben erzählen – aber die einfache Tatsache, dass das auf der Bühne geschieht, macht daraus Theater. Außerdem fühle ich mich der belgischen Truppe TG Stan und ihrer Idee, wirklich absolut in der Gegenwart zu spielen, sehr nah.

Wie kam es zur Kooperation mit Futur3?
Über Stefan Kraft, der in der Schweiz gearbeitet hat und unsere Arbeit gut kennt. „La première fois“ ist eine Produktion, die eine wirkliche Zusammenarbeit erlaubt: Futur3 und das Théâtre en Flammes zeigen hier eine Arbeit, die speziell für dieses Festival entstanden ist, nicht einfach ein Projekt, das auf Tournee geht und mal kurz vorbeikommt. Außerdem ist die Arbeit an einem zweisprachigen Theaterprojekt selten und spannend, wir freuen uns sehr auf diese Erfahrung in Köln!

Wird es auch zu einer Kooperation mit beiden Ensembles in Lausanne kommen?
Wir können uns gut vorstellen, an diesem Projekt gemeinsam weiterzuarbeiten – oder an einem ganz anderen. Andere Theatermacher zu treffen, ist eine wichtige Erfahrung für mich, daraus entstehen immer Inspirationen und Ideen für neue Projekte. Außerdem mag ich ein Theater, in dem sich verschiedene Sprachen mischen. Oder ein Theater in französischer Sprache, das von Schauspielern einer anderen Muttersprache gespielt wird. Wir werden sehen!

INTERVIEW: HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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