Mittwoch, 6. April: Für den gefeierten französischen Regisseur Jacques Audiard ist dessen neuer Film „Wo in Paris die Sonne aufgeht“ ein durchaus ungewöhnliches Werk. Viele seiner bisherigen Arbeiten, wie „Der wilde Schlag meines Herzens“, „Der Geschmack von Rost und Knochen“ oder „The Sisters Brothers“, zeichneten sich durch zumindest teilweise recht gewalttätige Aspekte aus. Zudem hatte er mit seinem einsetzenden Erfolg auch zusehends mit prominenten SchauspielerInnen zusammengearbeitet. All das trifft nun nicht mehr auf seinen neuen Film zu, der darüber hinaus ungewöhnlicherweise in Schwarz-Weiß gedreht wurde. Zur Köln-Premiere des Films, die am Vortag des bundesweiten Kinostarts im Odeon stattfand, war einer der vier Hauptdarsteller des Films, Makita Samba, anwesend, der auch zu diesen Aspekten Antworten parat hatte. „Für diesen Film hatte Audiard sein gesamtes Team erneuert, sowohl vor als auch hinter der Kamera. Es dürfte damit das jüngste Team geworden sein, mit dem er bislang zusammengearbeitet hat“, so Samba nach der Filmprojektion. Der Umstand, dass Audiard seinen Film in Schwarz-Weiß drehte, habe gleich mehrere Gründe. Zum einen basiert „Wo in Paris die Sonne aufgeht“ auf einer Reihe von Graphic Novels von Adrian Tomine, die ebenfalls ohne Farben auskommen. Zum anderen schwebte dem Regisseur damit auch eine Hommage an den legendären französischen Autorenfilmer Eric Rohmer vor, der ebenfalls viele seiner Filme in Schwarz-Weiß gedreht hatte.
Ein rundum verjüngtes Team
Schon der Castingprozess zum Film war laut Aussage des Hauptdarstellers ungewöhnlich. Der hatte sein Hauptrollen-Leinwanddebüt vor fünf Jahren in einem österreichischen Film („Angelo“) gegeben, weswegen er zumindest ein paar Brocken Deutsch verstehen kann. Noch vor den eigentlichen Dreharbeiten hatte Audiard auch die Casting-Szenen auf Film festgehalten und im Anschluss mit den DarstellerInnen darüber diskutiert und ihnen Feedback dazu gegeben. Mehr als zwei Monate arbeitete man so bereits an den Figuren und den Geschichten zusammen, und vor Drehstart spielte man – ganz wie am Theater – eine komplette Generalprobe des Films zusammen durch. „Audiard war während dieser ganzen Prozesse stets sehr neugierig darauf, was wir zu der Geschichte beizutragen hatten“, erzählte Samba. Auch während des Drehs hätte Léa Mysius, eine der beiden Co-Autorinnen zusammen mit Audiard und seiner Regie-Kollegin Céline Sciamma, ständig noch neu improvisierte Zeilen auf Anregung der DarstellerInnen ins Drehbuch hinzugeschrieben. Ferner hätte die Verjüngung von Audiards Team dafür gesorgt, dass es auch bei den technischen Aspekten zu einigen Innovationen gekommen sei, so beim Framing der Einstellungen oder bei der Lichtsetzung. Letzterer kam hier eine besondere Bedeutung zu, weil in Schwarz-Weiß gedreht wurde. Deswegen sei es wichtiger gewesen, dass die Texturen der Kleider und Gegenstände stimmten, ihre Farbe sei weniger wichtig gewesen. Das habe dazu geführt, dass Vieles sehr grelle und ungewöhnliche Farben gehabt habe, die auch kaum zueinander gepasst hätten, was man im finalen Film natürlich nicht einmal erahnen kann.
Graphic Novels als Vorlage
Das Publikumsgespräch leitete Jürgen Lütz vom Odeon-Kino, Makita Samba beantwortete die Fragen abwechselnd auf Französisch und Englisch. Nachdem Lütz angemerkt hatte, dass Jacques Audiard wohl letzten Endes doch ein Romantiker sei, weil die Protagonisten in seinen Filmen schließlich immer auf die eine oder andere Weise glücklich werden, antwortete Samba darauf: „Audiard verurteilt das Verhalten der jungen Menschen heutzutage nicht, für die es mit den unterschiedlichen Datingmöglichkeiten viele verschiedene Wege gibt, glücklich zu werden.“ Die ursprüngliche Idee zum Film hatte Audiard bereits vor Jahren gemeinsam mit seiner Kollegin Sciamma entwickelt, die ihm die Comics von Tomine nahegebracht hatte. Doch dann landete das Drehbuch einige Jahre in seiner Schublade, da Audiard zunächst den Hollywood-Western „The Sisters Brothers“ drehte. Nach der Pause machte er sich dann noch einmal gemeinsam mit der Filmemacherin Léa Mysius an die Weiterentwicklung des Drehbuchs. Makita Sambas Figur war dabei die einzige der Hauptcharaktere, die es nicht auch schon in den Vorlagen gegeben habe. Sie diente Audiard als Bindeglied zwischen den einzelnen Geschichten, die nun durch Camille und den gemeinsamen Handlungsort des 13. Arrondissements von Paris zusammengehalten werden.
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