Nein. Spielen will ich das „Kapitalismus-Game“ in der Bonner Bundeskunsthalle nicht. Schon gar nicht, wenn es um dieses Ausbeutungssystem geht und ich auch noch meine Emotionen als Währung betrachten soll. Auch „Lifestyle“ ist ein Anglizismus, den ich verabscheue. Dennoch: Interessiert hinein in die „kontrastmäßig rot“ gefärbten Lagerregale, welche Ladenhüter, Restbestände, Devotionalien und Kleinodien des Kapitalismus vorrätig halten, der, so Kurator Wolfger Stumpfe im Video auf der Homepage, auf rationalem Denken aufbauen soll. Er zitiert dafür ausgerechnet Max Weber, der 1864 ja nun nicht gerade in die Armut hineingeboren wurde, die es mit zielgerichtetem Unternehmertum wohl etwas schwerer hatte und auch vom Untertitel „Lass dich nicht ausbeuten“ irgendwie nicht satt wurde. „Humankapital“ nannte diese Menschen zynisch der immer „rational denkende“ Kapitalismus. Heute noch ist Landraub, Mord und Unterdrückung weltweit ein probates Mittel für diese wunderbare „Gesellschaftsordnung“.
Die Ausstellung ist ein im positiven Sinne Sammelsurium an Kunstobjekten, Geschichtsanekdoten und zum Teil skurrilen Alltagsgegenständen, die Lebenswelten gestern und heute dokumentieren, immer unter dem Gesichtspunkt einer fortschreitenden Evolution eines Systems, an dessen Ende nur der Kollaps stehen muss, um es wieder neu zu starten. Natürlich gibt es auch Errungenschaften wie billige Massenware fürs Volk, standardisierte Küchenmöbel für den Ort, der einer der preiswerten Grundpfeiler des Kapitalismus wurde. Immer wieder durchbrechen kritische Interventionen den Parcours durch die roten Stellagen. Beim Film „Landraub“ (Österreich, 2015) von Kurt Langbein fällt mir sofort die schicke Firma Benetton und Argentinien ein, bei Ferdinand Georg Waldmüllers Drama in Öl „Die Pfändung“ (1847) die Auswirkungen der heutigen Pandemie auf den Immobilienmarkt.
Das Spektakulum der Schau ist sicherlich die Skulptur „Give us, dear“ (2013) vom Künstlerduo Matthias Böhler und Christian Orendt, wo ein monströser Affe, Urahn und Beute zugleich, von winzigen Menschlein zerlegt und abtransportiert wird. Brauchbar scheint alles und alles wandert durch zwei kleine Mauselöcher an der Wand. Gulliver hatte da bei Jonathan Swift mehr Glück. Lassen wir uns nicht ausbeuten.
Wir Kapitalisten. Von Anfang bis Turbo | bis 30.8. | Bundeskunsthalle Bonn | Infos: 0228-9171200
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