Es sieht so aus, als ob viele künstlerisch begabte Menschen erst einmal jung ein Instrument gelernt haben, bevor sie sich später auch für die bildende Kunst als Lebensinhalt entschieden. Denn wenige sind es nicht, die neben ihrem bildnerischen auch ein musikalisches Werk haben, das mehr oder minder hörenswert ist. Die Ausstellung „Doppelleben“ in der Bonner Bundeskunsthalle zeigt diese Künstler*innen mit einer visuellen Reise durch ihre Videos, mit stets desinfizierten Schaltern für den individuellen Kopfhörer. Stöpseln als serielles Tun wird da zum Mega-Vergnügen und führt zur dauerhaften Überlegung, wieso der Broterwerb die Auswahl beeinflusste und beispielsweise David Bowie oder Marilyn Manson nicht dabei sind.
Alles beginnt in Bonn mit der klassischen Moderne. Marcel Duchamp in der Belle Epoche, László Moholy-Nagy am Bauhaus; beide nutzten Töne zur Geräuschmusik, die aus zufälligen Strukturen zu Kompositionen führten. Dass Moholy-Nagy 1923 bereits das „Scratching“ testete, sei hier nur süffisant erwähnt. Kurt Schwitters und Dada ignorierend geht es gleicht ab zum frühen John Cage und seinem live mitgeschnittenen „Water Walk“ von 1959, also in eine Zeit, die wohl noch nicht bereit war für Fluxus oder Neue Musik und wo bei der Cage-Performance das Publikum dauerhaft in Gelächter ausbricht. Das dürfte sich bei Yoko Ono 1961 oder Nam June Paik 1971 noch nicht groß geändert haben.
Aber ab da wird das artifizielle Musizieren zum Standpunkt, zur Rebellion gegen Konventionen und Kompositionsregeln. Monotones, Minimales und Anreihung von Mustern wird zum Prinzip, vieles mit sehr seltenen Aufnahmen dokumentiert, bevor die donnernde Bandkultur wieder Oberhand gewinnt und man einen singenden frühen Peter Weibel mit seinem Hotel Morphila Orchester und „Tot im Kopf“ (1978) genießen kann. Geniale Dilettanten beherrschten im goldenen Kunstmarkt-Terror der 1980er Jahre die Ausstellungseröffnungen. Da springt schon mal ein losgelöster Martin Kippenberger schreiend durch die Attersee-Ausstellung, während Albert und Markus Oehlen fast verzweifelt den Rhythmus dazu halten. Auch das grandiose slowenische Kunstprojekt Laibach (mit als Sänger) mischt in diesem Jahrzehnt gehörig mit. Die schicke Ausstellung endet natürlich im intellektuell mäandernden Jetzt. Mir hat Anohni gefehlt.
Doppelleben – Bildende Künstler*innen machen Musik | bis 18.10. | Bundeskunsthalle Bonn | 0228 917 10
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